Unbekannter aus dem Netz: Bitte montiere meine Lampe!

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Rasenmähen, Heckenschneiden, auf die Katze aufpassen: Stephanie und Nikolaus Gasche schufen ein Portal für Nachbarschaftshilfe.

Als Stephanie Gasche klein war, spielte sie für ihre Nachbarn die Babysitterin oder ging mit deren Hund spazieren. Die halfen dafür beim Rosenschneiden im Garten. Und wenn in ihrem Zimmer eine Lampe zu montieren war, war ihr talentierter Vater zur Stelle. Jetzt lebt sie in einem 12-stöckigen Gebäude in der Wiener Innenstadt, kennt die meisten ihrer Nachbarn nicht und wenn die Lampe kaputt ist, bleibt das Licht erstmal aus.

Aber nicht lange, denn die 27-jährige Unternehmensberaterin hat gemeinsam mit ihrem Bruder, dem 19-jährigen Medizinstudenten Nikolaus Gasche, ein Portal geschaffen, das das im ländlichen Raum übliche Konzepte der Nachbarschaftshilfe auch in die Großstadt bringen könnte. „Fleißige Biene“ nennt sich die Webseite, auf der User Aufträge erstellen können – vom Staubsauger reparieren für 50 Euro bis zum Buchsbaum ausgraben für 10 Euro die Stunde. Andere User können diese Aufträge annehmen und dabei ihr Taschengeld aufbessern.

Entstanden ist das Projekt fast aus einer Not: Es war der Sommer 2013 und Nikolaus Gasche stand ohne Ferialjob da. „Früher habe ich immer für meine Nachbarn Autos gewaschen. Ich habe gegoogelt, ob ich durch kleine Dienstleistungen Geld verdienen könnte, habe aber nur in Deutschland etwas gefunden“, sagt er. Gleichzeitig hegte seine Schwester schon länger die Idee, „etwas in Richtung Nachbarschaftshilfe“ auf die Beine zu stellen.

Die beiden taten sich also zusammen, grübelten über Businessmodelle, kritzelten Skizzen der Webseite mit Marker auf Papier. Nikolaus, der sich das Programmieren selbst beigebracht hat, kümmert sich um alles Technische, Stephanie zeichnet für Design und Marketing verantwortlich. Im Herbst war die Beta-Version der Seite fertig. Freunde und Bekannte des Geschwisterpaares ereilte schließlich ein Mail: „Wenn euch irgendetwas einfällt, Bäume schneiden oder so, bitte stellt es online. Wir brauchen Aufträge!“

Mittlerweile zählt das Webportal 45 Aufträge, 90.000 Seitenaufrufe und 400 aktive User. Wird ein neuer Auftrag veröffentlicht, findet sich oft innerhalb von Minuten, spätestens nach einigen Stunden jemand, der ihn übernimmt, so die Macher. Auch einen Stammuser hat das Portal schon, einen „Herrn, der dauernd Sträucher schneidet. Er war auch schon bei meiner Mutter.“ Die meisten Aufträge werden in Wien oder Graz, aber auch „in abstrusen kleinen Dörfern in Niederösterreich“ gepostet, so Stephanie Gasche.

Für die Geschwister ist der Betrieb der Seite ein Freizeitvergnügen. Nikolaus studiert in Graz und programmiert abends nach den Vorlesungen; Stephanie, die beruflich viel unterwegs ist, arbeitet im Flugzeug. „Es wäre gut, wenn sich unser Aufwand bezahlt machen würde. Die Seite bleibt aber kostenlos“, sagt sie. Was die zukünftige Finanzierung des Portals angeht, hat sie noch keine konkreten Pläne. Als nächstes steht jedenfalls ein Update der Seite an: User sollen anderen Nutzern folgen können und über interessante Aufträge automatisch informiert werden.

Ist „Fleißige Biene“ nun eine Nebenjobbörse oder ein Versuch, Nachbarn näher zusammenzubringen? „Eigentlich beides“, sagt Stephanie Gasche. Als ihre Lampe das letzte Mal streikte, wusste sie sich jedenfalls zu helfen. Der User, der sich auf ihren Auftrag meldete, hat inzwischen auch schon eine Schublade für sie repariert.

 

Weiteres Portal startet Ende Mai

Die Leute von nebenan online vernetzen will auch ein anderes Wiener Projekt: Die Seite Fragnebenan.com funktioniert wie ein soziales Netzwerk, auf dem sich Nachbarn austauschen und verabreden können. Ab 30. Mai soll dafür eine Pilotphase im siebten Bezirk starten, im Juli soll die Seite in ganz Wien verfügbar sein. Mittelfristig könnte sie durch Werbung von lokalen Unternehmen finanziert werden. Initiator Stefan Theißbacher: „In großen Städten wie Wien trifft man seine Nachbarn kaum, höchstens in zufälligen Begegnungen am Gang. Wir schaffen einen Ort, an dem sich Nachbarn 24 Stunden am Tag austauschen können.“

AUF EINEN BLICK

„Fleißige Biene“. Das Onlineportal für Nachbarschaftshilfe vernetzt Menschen, die kleine Aufträge zu vergeben haben und andere, die sie erfüllen können. Dank standortbasierter Suche können User Aufträge in ihrer Nähe finden. Das Portal übernimmt dabei nur die Kontaktvermittlung, Termine und Bezahlung vereinbaren die User selbst. Bisherige Aufträge reichen von „Ungarische Übersetzung und Begleitung bei Amtswegen“ bis zu Gartenarbeiten und Reparaturen. Die Seite ist ein Freizeitprojekt der Geschwister Stephanie und Nikolaus Gasche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2014)


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