Amerikas Jobwunder ist eine Illusion

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Zeitungen jubeln das Ende der US-Jobkrise herbei. Dabei sinkt die Arbeitslosigkeit nur, weil so viele Amerikaner wie nie komplett aufgegeben haben - und gar keine Arbeit mehr suchen.

Wien. Diese Meldung war ganz nach dem Geschmack vieler amerikanischer Medien. Erstmals seit vielen Monaten haben die US-Unternehmen im April wieder 288.000 zusätzliche Jobs geschaffen, meldete das US-Arbeitsamt am Freitagabend. Die Arbeitslosenquote sank von knapp zehn Prozent im Jahr 2010 auf 6,3 Prozent. Die politisch gerne instrumentalisierte Messlatte lag damit auf dem niedrigsten Wert, seit der Kollaps der Bank Lehman Brothers vor über fünf Jahren die Finanz- und Wirtschaftskrise ausgelöst hat.

„Amerikas ,Job-Creation-Machine‘ schaltet in den nächsten Gang“, titelte die Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Und landesweit füllen Zeitungen ihre Blätter schon seit Monaten mit Geschichten über Firmen, die händeringend nach geeigneten Mitarbeitern suchen und mit Interviews mit Konzernlenkern, die kräftige Lohnerhöhungen in Aussicht stellen.

Vier von zehn geben auf

Doch der Jubel ist verfrüht. Denn die „guten Zahlen“, die von den öffentlichen Stellen seit Monaten veröffentlicht werden, täuschen über das strukturelle Problem auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt hinweg. Die Arbeitslosenquote sinkt nicht, weil so viele Menschen wieder Arbeit gefunden haben. Sie sinkt, weil so viele arbeitsfähige Amerikaner wie nie zuvor die Hoffnung verloren haben und sich nicht länger die Mühe machen, auf Jobsuche zu gehen.

Die sogenannte Erwerbsquote sank im April auf 62,8 Prozent. 92 Millionen, das sind fast vier von zehn Amerikanern im erwerbsfähigen Alter, haben sich also „freiwillig“ aus dem Arbeitsmarkt hinauskatapultiert. Zuletzt lag dieser Wert im März 1978 höher. Eine mögliche Pensionswelle der Babyboomer-Generation kann nicht als Erklärung dienen. Die Erwerbsquote der über 65-Jährigen stieg im April sogar leicht auf 18,9 Prozent. Bei den unter 20-Jährigen lag sie bei knapp einem Drittel und damit deutlich höher als noch 2007.

Mit 2,55 Millionen Menschen sind besonders viele Amerikaner direkt von der erfolglosen Jobsuche völlig aus dem Arbeitsmarkt ausgestiegen. Selbst das statistische US-Bundesamt zeigt sich „verwundert, warum so viele arbeitslose Menschen keine Jobs suchen“. So absurd es klingt, der Statistik hilft es: Denn je kleiner die Zahl derer, die Arbeit suchen, desto niedriger die Arbeitslosenquote.

Experten erklären das Verschwinden der Arbeitslosen aus dem Markt auch damit, dass viele Nothilfen für Arbeitslose, die die Regierung nach der Finanzkrise eingeführt hat, nun ausgelaufen sind. Für viele Menschen gebe es nun keinen finanziellen Anreiz mehr, sich zumindest arbeitssuchend zu melden.

Doppelt so viele in Teilzeitjobs

Eine andere Erklärung könnte sein, dass auch jene Menschen, die seit der Krise Arbeit gefunden haben, nicht unbedingt gut aussteigen. Viele der neu entstandenen Stellen sind schlecht bezahlt oder zeitlich begrenzt. Die Zahl der Amerikaner, die Vollzeit beschäftigt sind, liegt immer noch vier Millionen unter dem Wert von Ende 2007. Fast doppelt so viele Menschen wie vor der Krise nehmen notgedrungen einen (oder mehrere) Teilzeitjob(s) an, weil sie keine Vollzeitstelle finden.

Auch das Gros der Unternehmen traut dem Aufschwung an den Börsen noch nicht und hält sich mit großen Stellenausschreibungen zurück. Nach einem Bericht der US-Ratingagentur Standard & Poor's halten die US-Konzerne auch drei Billionen US-Dollar an Bargeld zurück, um für schlechtere Zeiten gerüstet zu sein.

Und selbst in jenen Teilen des Landes, in denen es wirklich mehr Jobs als Menschen gibt, floriert die Wirtschaft nicht so, wie sie sollte. Denn auch mit der viel gerühmten Mobilität der amerikanischen Arbeiter ist es nicht mehr so weit her. Da sich der Immobilienmarkt immer noch nicht von seinem Verfall erholt hat, verzichten viele Amerikaner auf bessere Jobs in anderen Bundesstaaten, weil sie ihr Eigenheim nicht teuer genug verkaufen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2014)

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