ÖGB: "Verhandeln Lohnerhöhungen fast nur für den Finanzminister"

Erich Foglar
Erich FoglarDie Presse (Clemens Fabry)
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Durch kalte Progression verliert ein Arbeiter im Jahr 2018 schon 67 Euro pro Monat, kritisiert die Gewerkschaft. ÖGB-Chef Erich Foglar drängt auf eine Steuerreform.

Mit neuen Berechnungen zur "kalten Progression" will der ÖGB Druck für eine rasche Steuerreform machen.  ÖGB-Präsident Erich Foglar (SPÖ) kritisiert, "dass wir eigentlich die Lohnerhöhungen fast nur für den Finanzminister verhandeln." Die Regierung rechnet bis 2018 mit einem Anstieg der Lohnsteuereinnahmen von heuer 26 auf 31,9 Milliarden Euro. Wie groß der Anteil der "kalten Progression" dabei ist, geht aus den Unterlagen des Finanzministeriums nicht hervor. Die Innsbrucker "Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung" kommt für heuer auf einen Wert von 2,6 Milliarden Euro für Lohn- und Einkommensteuer gemeinsam. Allein für die Lohnsteuer rechnet der ÖGB heuer mit 2,1 Milliarden Euro, 2018 wären es ohne Steuerreform demnach bereits 3,9 Milliarden Euro.

Kalte Progression

Kalte Progression entsteht dadurch, dass Arbeitnehmer nach den Lohnrunden in höhere Steuerklassen vorrücken und damit auch mehr Lohnsteuer zahlen, obwohl ihr Einkommen - wegen der Inflation - gar nicht an Kaufkraft gewinnt.Wie sich die kalte Progression auf die einzelnen Lohnsteuerzahler auswirkt, hat der ÖGB durchgerechnet. Ergebnis: Von 2009 auf 2014 haben die inflationsbedingten Steuererhöhungen je nach Einkommenshöhe zwischen zwölf und 24 Prozent der Nettolohnerhöhungen aufgezehrt.

Reallohnverlust droht

Was das konkret bedeutet, zeigt die Gewerkschaft am Beispiel eines Arbeiters, dessen Monatsgehalt seit 2009 - also seit dem Jahr der letzten Steuerreform - von 1.500 auf 1.722 Euro brutto angestiegen ist. Die Ergebnisse:

  • Ohne "kalte Progression" wären bei einem Brutto-Gehaltsplus von 222 Euro netto 152 Euro monatlich übrig geblieben.
  • Tatsächlich lag die Nettolohnerhöhung der Berechnung zufolge aber nur bei 115 Euro, also netto um 24 Prozent niedriger.
  • Sollte bis 2018 keine Steuerreform erfolgen, dann würde der Verlust durch die "kalte Progression" auf 64 Euro pro Monat ansteigen.
  • Abzüglich Inflation käme dabei sogar ein Reallohnverlust heraus.

Je nach Einkommenshöhe ergibt sich dabei bis 2018 ein Verlust durch die "kalte Progression" zwischen 64 Euro und 149 Euro monatlich. Ersteres für Arbeitnehmer, die 2009 1500 Euro monatsbrutto verdient haben, letzteres bei 6000 Euro Monatsbrutto. Für seine Modellrechnung geht der ÖGB von einer jährlichen Steigerung der Bruttolöhne um durchschnittlich 2,8 Prozent aus.

Kalte Progression schmaelert Lohnerhoehungen
Kalte Progression schmaelert LohnerhoehungenAPA

Foglar: Steuertarif soll an Inflation angepasst werden

"Die kalte Progression kostet uns über vier bis fünf Jahre rund ein Viertel der Lohnerhöhungen", sagte Foglar mit Verweis auf die ÖGB-Berechnungen für Bezieher niedriger Einkommen. Er fordert daher, dass der Steuertarif künftig entweder regelmäßig an die Inflation angepasst oder durch die Einziehung zusätzlicher Tarifstufen abgeflacht wird. Die Steuerreform müsse daher zwei "Kernelemente" haben, betont Foglar: "Der Eingangssteuersatz muss runter und wir brauchen dringend eine Tarifreform, damit die kalte Progression ausgeglichen wird. Sonst haben wir nach drei Lohnerhöhungen die Steuersenkung wieder egalisiert."

Foglar drängt daher auf eine baldige Steuerreform. Die Steuerreformkommission der Regierung müsse "raschest" ihre Arbeit aufnehmen, das konkrete Modell solle dann bis Jahresende stehen und 2015 beschlossen werden. In Kraft treten könnte die Reform aus Foglars Sicht schrittweise.

Umdenken bei Vermögenssteuern gefordert

Von fehlendem finanziellen Spielraum für eine Reform will Foglar nichts hören, wie er betont: "Dass der Finanzminister immer sagt, er hat kein Geld, ist ein logischer Reflex." Der ÖGB-Chef pocht auf ein "Umdenken" der ÖVP in puncto Vermögenssteuern: "Wir wollen nicht mehr als im OECD-Schnitt."

Auch Wirtschaftsexperten drängen auf eine schnelle Steuerreform. Friedrich Schneider von der Uni Linz warnte am Dienstag im "Ö1-Morgenjournal" sogar vor einem Steuerstreik.

(APA/Red.)

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