Der politische Einfluss im ORF hat sich verfestigt

„Auf seinem eigenen Misthaufen ist der Hahn eben der Mächtigste.“

Im April 2012 haben Kanzler und Vizekanzler eine „gewaltige Reform“ im ORF versprochen. Ziel sei es, dem ORF mehr Unabhängigkeit von parteipolitischem Einfluss zu bringen: kleiner Aufsichtsrat, Hearings bei der Mitgliederauswahl etc. Damit hat man den Unmut nach der gescheiterten Inthronisierung eines SP-Intimus im Unternehmen (Niko Pelinka als Vollstrecker des SP-Generaldirektors) abgefangen. Was herauskam, war schließlich ein Reförmchen mit gegenteiligen Vorzeichen (Beschluss vom 26. 3. 2014 im Nationalrat), mit noch mehr Politikeinfluss und ohne Strukturänderung. Und das kam so:

Im Oktober 2011 hat der Verfassungsgerichtshof die unsinnige Bestimmung über die Volkswahl von sechs Publikumsräten, von denen drei in den Stiftungsrat kommen mussten, aufgehoben. Diese Wahl war eine Schnapsidee der Oberliga: hohe Kosten, verschwindende Beteiligung, Wahl von Promis, die dann nicht aktiv wurden.

Man musste das also vor der Neubestellung des Publikumsrats und des Stiftungsrats im Frühjahr 2014 sanieren und hat das auch im März geschafft. Der Publikumsrat hat um sechs Mitglieder weniger, ist aber dafür bei der Bestellung von sechs Stiftungsräten an nichts mehr gebunden. Bisher musste er wenigstens aus den Bereichen Religion, Wissenschaft und Kultur je einen Vertreter entsenden.

Pendel schlägt wieder zurück

Hintergedanke der Bereichsbindung war, dass für die Bereiche repräsentative Personen eine höhere Unabhängigkeit kraft ihres Ansehens genießen. Nach dem Gesetz von 1966 bis 2001 gab es sogar fünf Bereichsvertreter. So schlägt das Pendel wieder zugunsten des Parteieneinflusses und gegen die Unabhängigkeit des ORF aus.

Denn von den 35 allgewaltigen Stiftungsräten werden 24 von Bundesregierung, Landesregierungen und Parlamentsparteien ausgewählt, sechs vom Publikumsrat, der aus 17 vom Bundeskanzler bestellten Mitgliedern besteht; der Rest kommt von Parteiakademien, den Sozialpartnern und ganz wenigen Institutionen, die von der Tagespolitik entrückter sind, etwa Kirchen und Freiberufler.

Großkoalitionäre bestimmen

Das Rundfunkregime ist also fest in der Hand der Großkoalitionäre. Bestrebungen, mehr Unabhängigkeit zu erlangen, sind bisher gescheitert. Die Vorschläge betrafen etwa: Verkleinerung des Stiftungs(aufsichts)rats auf zehn Eigentümervertreter, die in einem öffentlichen Verfahren bestellt werden, was eine spezifischere Auswahl und weniger fraktionelles Verhalten (derzeit wird überwiegend nach Parteilinie abgestimmt) bringen soll.

Die Qualifikation der Aufsichtsräte soll überprüfbar werden. Kriterien gibt es zwar im Gesetz, sie wurden aber bisher nicht gelebt. Wenn es nur noch zehn Eigentümervertreter gibt, dann steigt deren Verantwortung. Weiters muss die Belegschaft die Drittelparität im Aufsichtsgremium erhalten, wie das bei Kapitalgesellschaften seit Langem Gesetz ist.

Man versteht nicht, warum im ORF, dessen Leistung fast gänzlich vom Personal abhängt, die Belegschaft weniger Rechte haben soll als in der sprichwörtlichen Schraubenfabrik. Zur Stärkung der Autonomie des ORF sollte auch eine Aufwertung der Redakteursvertretung genützt werden, die ein feines Sensorium für überbordenden politischen Einfluss besitzt, sich mangels Kompetenzen aber nur wenig als Garant für die Unabhängigkeit des ORF einbringen kann.

Von solchen Reformen ist nun nicht mehr die Rede. Die Koalitionsparteien haben ihre Machtposition im ORF ausgebaut, getreu eines Wortes Senecas des Jüngeren: „Auf seinem eigenen Misthaufen ist der Hahn der Mächtigste.“

Dr. Wolfgang Buchner war langjähriger
Hausjurist und Administrationsstationschef des ORF

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2014)

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