Boko-Haram-Kämpfer hatten vor drei Wochen 273 Mädchen verschleppt. Dies könnte nun auch ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof werden.
Der Vorwurf wiegt schwer: Im Fall der 273 entführten nigerianischen Schülerinnen wirft Amnesty International den Behörden vor, eine Warnung der radikalislamischen Gruppierung Boko Haram ignoriert zu haben: Es gebe „ausreichend Beweise“ dafür, dass „die nigerianischen Sicherheitskräfte es versäumten, auf Warnungen von Boko Haram zu reagieren“, teilte die Menschenrechtsorganisation am Freitag mit.
Demnach sei etwa vier Stunden vor dem Angriff auf die Schule in der Stadt Chibok im nordöstlichen Bundesstaat Borno eine Warnung eingegangen.
Kämpfer der extremistischen Sekte hatten die Schule am 14. April überfallen und die Mädchen verschleppt. Nur einem kleinen Teil der Schülerinnen gelang die Flucht. Am Sonntag entführte die Gruppe elf weitere Mädchen. In einem Video kündigte Sektenführer Abubakar Mohammed Shekau die Versklavung und Zwangsverheiratung der Schülerinnen an. Die Regierung in Abuja reagierte schleppend. Erst nach einer weltweiten Mobilisierung und wütenden Protesten der Familien erklärte Präsident Goodluck Joathan am Freitag den „totalen Einsatz“ seines Landes bei der Suche nach den Mädchen. Daran sollen sich auch Militärexperten aus den USA und Großbritannien beteiligen.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Der Fall könnte indes bald auch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) beschäftigen. Ein solches Vergehen könnte unter die Zuständigkeit des Tribunals in Den Haag fallen, sagte dessen Chefanklägerin Fatou Bensouda am Donnerstag. Das "beunruhigende Phänomen, dass in Konfliktzeiten Frauen zur Zielscheibe werden, wird nicht toleriert und muss aufhören". Es dürfe keine Möglichkeit ausgelassen werden, die Verantwortlichen für solche Gräueltaten zur Rechenschaft zu ziehen, sei es in Nigeria oder vor dem IStGH, so Bensouda. Bereits 2012 war das Tribunal bei einer Vorprüfung zu dem Schluss gekommen, dass die islamistische Sekte Boko Haram seit 2009 Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht.
Der Internationale Strafgerichtshof ist der erste ständige Gerichtshof, der länderübergreifend Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord ahndet. Der IStGH urteilt dabei immer über die Taten Einzelner - nicht über Staaten. Der IStGH nahm am 1. Juli 2002 in Den Haag seine Arbeit auf, nachdem er vier Jahre zuvor mit dem Statut von Rom gegründet worden war. Nigeria hat den Gründungsvertrag ratifiziert.
"Kultur der Straflosigkeit"
In London geißelte die US-Schauspielerin Angelina Jolie eine in Nigeria herrschende "Kultur de Straflosigkeit". Die Entführer von Boko Haram seien der Meinung, sie könnten die Schülerinnen missbrauchen und als ihr Eigentum betrachten, weil so viele Menschen in der Vergangenheit so gehandelt hätten, ohne bestraft zu werden, sagte Jolie dem Fernsehsender Sky News. Sie wird im Juni gemeinsam mit dem britischen Außenminister William Hague einer internationalen Konferenz vorsitzen, bei der über die Beendigung "sexueller Gewalt in Konflikten" beraten werden soll.
(APA/AFP)