Parteien aller Couleurs änderten den Kurs im einstigen Hochsteuerland.
Stockholm. Noch 1976 kritisierte die Kinderbuchautorin Astrid Lindgren die seit Kriegsende fast ununterbrochen regierenden Sozialdemokraten, indem sie öffentlich beklagte, dass sie mehr Steuern zahle, als sie verdiene. Doch das ist lange her. Seit der Wirtschaftskrise in den Neunzigerjahren hat Schweden seine Abgabenquote stark gesenkt. Von 2000 bis 2013 sank sie von 52 auf 45 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Damit lag sie zuletzt sogar niedriger als in Österreich, das im Vorjahr laut Eurostat auf eine Quote von 45,4 Prozent kam.
Ausgerechnet die schwedischen Sozialdemokraten waren es, die in den Neunzigerjahre das Ruder herumrissen. Aufgrund ihrer damaligen Quasi-Allmacht konnte die Arbeiterpartei eine so weit gehende Sparpolitik führen, wie sie bürgerliche Parteien in vielen anderen Ländern aufgrund erheblicher Proteste von Gewerkschaften und linker Opposition nur schwer hätten durchsetzen können. Nahezu ohne Debatte winkten die Sozialdemokraten etwa 1999 eine Rentenreform durch das Parlament, die zukünftige Rentenniveaus von 65 Prozent auf geschätzte 50 Prozent senkt und Menschen zudem zwingt, deutlich länger dafür zu arbeiten.
1994 stand das soziale Vorbildland Schweden am Rand des Abgrundes. Das Rentensystem galt mittelfristig als unbezahlbar, die Staatsschulden waren erdrückend, der Banksektor stand vor dem Bankrott. Die Industrie war teils nicht mehr wettbewerbsfähig und verlor jeden zehnten Arbeitsplatz. Das Budgetdefizit lag bei zwölf Prozent der Wirtschaftsleistung. Der Finanzminister und spätere Ministerpräsident Göran Persson verordnete Schweden deshalb Einschnitte im sozialen Netz, im Gesundheitswesen und den Schulen, im aufgeblähten staatlichen Verwaltungs- und Eigentumssektor. Schweden sparte sich damals im Vergleich zu anderen Ländern jedoch von einem sehr hohen Sozialniveau gesund, weshalb staatliche Leistungen auch heute noch relativ hoch sind.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2014)