Early-Access-Programme: Freud und Leid für frühe Vögel

Kerbals Space Program / Bild:
Kerbals Space Program / Bild: Squad
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Computerspielfans können über Early-Access-Programme Titel vor ihrer Veröffentlichung ausprobieren. Doch der Spaß kann oft in Frust umschlagen.

Der Mensch ist von Natur aus neugierig. Gerade im Unterhaltungsbereich schlägt sich das oft nieder. Vorpremieren von kommenden Filmen, einzelne Tracks als Vorgeschmack auf das nächste Album oder ein paar Kapitel auf dem Blog eines Autors, um die Wartezeit auf dessen neues Buch zu verkürzen, sind nach dem Motto „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ gang und gäbe. In der Gaming-Szene wird seit den Achtzigern mit Demos Appetit auf kommende Titel gemacht. Seit rund einem Jahr führt das Vertriebsportal Steam diese Tradition ein Level weiter. Unter dem Early Access getauften Programm können Entwickler noch unfertige Spiele, die aber gewisse Basisfunktionen aufweisen, bereits verkaufen. Spieler können damit die Titel somit bereits vor dem offiziellen Start probieren und die Macher erhalten früher Zugriff auf wichtigen Umsatz, der ihnen die Fertigstellung erst ermöglicht.


Unfertig. Die meisten der so auf Steam erhältlichen Spiele befinden sich im sogenannten Alphastadium. Das bedeutet, dass sie noch oft abstürzen können, diverse Fehler haben oder noch nicht alle beim endgültigen Release verfügbaren Funktionen haben. Das folgende Betastadium ist im klassischen Software-Entwicklungssinn eigentlich erst für Benutzertests gedacht. Doch spätestens seit Google News und Gmail, die jahrelang offiziell als Beta geführt wurden und dennoch wie fertige Produkte genutzt wurden, hat sich der Begriff gewandelt. Inzwischen ist der Übergang zum eigentlichen „Release to manufacturing“ und der „General Availability“ fließend.

Es gibt zahlreiche Early-Access-Erfolgsgeschichten. Das auf dieser Seite bereits vorgestellte apokalyptische „DayZ“ gehört mit mehr als einer Million Käufern genauso dazu wie das kuriose „Kerbal Space Program“. Letzteres stellt die Frage „How hard can rocket science be, anyway?“ und ermöglicht es Spielern, mittels eines Baukastensystems die absurdesten Flugzeugen, Raketen, Raumschiffe und andere Konstruktionen zu basteln. Dass die meisten davon beim Start spektakulär auseinanderbrechen, macht einen Teil des Spielspaßes aus. Der andere wird durch die annähernd korrekte Newton'sche Physikberechnung von Orbits, Wiedereintrittsphasen etc. geboten. Inzwischen arbeitet sogar die Nasa mit den Entwicklern zusammen. Seit April erhältliche Bausteine entspringen dem Space-Launch-System der US-Weltraumagentur.


Geld weg.
Doch es gibt auch genug Enttäuschungen für Fans der vorzeitig veröffentlichten Spiele. Erst diese Woche sorgten zwei Negativbeispiele für Schlagzeilen in der Branche. „Earth: Year 2066“ ordnet sich von seiner Prämisse her in die Reihe der dystopischen Open-World-Games ein. Aber nicht nur die Story ist düster, auch die Entwicklung. Nach heftiger Kritik hat sich Steam als Markplatzbetreiber entschieden, das Spiel wieder zu entfernen, da die Entwickler es mit Funktionen angepriesen hatten, die gar nicht existierten. Spieler erhalten ihr Geld zurück. Wenig später wurde bekannt, dass die Entwicklung des Städteaufbauspiels „Towns“ eingestellt wird, obwohl bereits mehr als 200.000 Spieler dafür gezahlt haben.

Nicht nur aufgrund dieser Geschichten sollte man sich genau überlegen, wofür man sein Geld ausgibt. Wer aber aufmerksam die User-Kritiken durchliest, wird schnell die Spreu vom Weizen trennen und Spaß selbst an unfertigen Titeln haben können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2014)

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