Döner Kebab: Über Berlin nach Istanbul

Döner Kebab
Döner KebabDie Presse
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Erfunden wurde Döner Kebab als Imbiss in den 1970er-Jahren in Berlin.

Von der Geschichte des Döner Kebabs gibt es mehrere Varianten. Die einen sehen bereits die türkischen Nomadenvölker, die „Urtürken“, als dessen Erfinder. Die anderen wiederum setzen die Geburtsstunde der türkischen Spezialität ins 19. Jahrhundert, als der Koch İskender Efendi den nach ihm benannten İskender Kebab erfand.

Etwas einfacher ist es da schon mit der Erfindung des Döner Kebabs in einem Sandwich als Imbiss. Denn natürlich wurde und wird auch in der Türkei der Döner Kebab mit Brot gegessen. Als Schnellimbiss hat sich der Döner Kebab aber erst in Berlin in den 1970er- und 1980er-Jahren etabliert. Wobei selbst hier mehrere Köche die Erfindung des Schnellimbisses für sich beanspruchen. Fakt ist jedoch, dass Döner Kebab in der Türkei ursprünglich eine Spezialität war (und ist), etwas Besonderes, das es nur zu feierlichen Anlässen gab und das auch feierlich zelebriert wurde – und traditionell auf einem Teller mit Reis und Salat serviert wurde. In Berlin haben türkische Gastarbeiter die Sandwich-Variante „erfunden“. Gemeinhin gilt Kadir Nurman als jener Mann, der 1972 den türkischen Schnellimbiss als Erster in Berlin verkauft hat. Vor ein paar Jahren hat sich aber ein Schwabe, Nevzat Salim, zu Wort gemeldet, der behauptete, schon 1969 Döner Kebab im Fladenbrot in Reutlingen in Baden-Württemberg verkauft zu haben.

Wer auch immer zuerst da war, die Sandwich-Version ist eine deutsche Erfindung – wenn auch eine, die mittlerweile wieder in die Türkei zurückgeschwappt ist. „Es gibt in Deutschland mehr Kebab-Stände als in der Türkei“, sagt etwa René Tütüncü vom Wiener Restaurant Kent. Sein Vater Hüseyin Tütüncü, ein einstiger Schafhirte und Hobbykoch, kam 1973 nach Österreich und arbeitete sich 19 Jahre lang bei Grundig vom Lagerarbeiter zum Abteilungsleiter mit 250 Mitarbeitern hoch. Anfang der 1990er hat er am Brunnenmarkt in Ottakring ein kleines Teehaus eröffnet. Heute betreibt die Familie drei türkische Restaurants: im zehnten, 15. und 16. Wiener Bezirk. Letzteres Lokal mit 600 Sitzplätzen.


Snack für Nachtschwärmer. „Es gab damals viele türkische Gastarbeiter, aber nicht viele türkische Lokale. Bei meinem Vater gab es türkisches Fernsehen und Kartenspiele, und er hatte 24 Stunden offen. Dadurch hatten wir die ganzen Taxifahrer als Kunden, weil man vor 20 Jahren in Wien nach 22 Uhr nichts mehr zu essen bekommen hat. Und mit ihnen kamen die Gäste der Taxifahrer“, erinnert sich der Sohn, René Tütüncü. Döner Kebab ist – zumindest in Europa – also auch eine Speise, die stark mit dem Nachtleben verbunden wird, ähnlich wie Frankfurter, Käsekrainer und Co. beim Würstelstand.


Mehr Würstel- als Kebab-Stände. Wie viele Kebab-Stände es in Wien gibt, lässt sich nur schwer sagen. Das Wiener Marktamt ist nur für gewerbliche und transportable Stände zuständig, also jene Stände, die nicht gemauert sind und nicht der Bauordnung unterliegen (und unter zwölf Quadratmeter groß sind) – und, der Vollständigkeit halber: nicht karitativ betrieben werden. Heuer hat das Marktamt insgesamt 212 Gastronomiestände gezählt, davon handelt es sich bei 131 Ständen um Würstelstände. Der Rest, also 81 Stände, sind sonstige Stände, also Pizza, Nudeln, Kebab oder indische Speisen. Bei der Wiener Wirtschaftskammer wird kulinarisch gar nicht unterschieden. Dort zählte man 2013 insgesamt 441 (nicht transportable) Imbissstände, davon 66 ruhend gemeldete, macht also 375 Imbissstände. Was dort verkauft wird, müssen die Betreiber der Kammer nicht mitteilen. Grob geschätzt dürfte die Zahl der Kebab-Stände also mindestens bei 200 liegen.

Laut Yaşar Sarikoç, der als Erster die Wiener mit Döner Kebab vertraut gemacht hat, haben die Deutschen nicht nur den Imbiss erfunden, sondern auch das fertige, vorproduzierte Kebabfleisch, das manche Betreiber tiefgefroren einkaufen. Als Verfechter des Selbermachens hält er davon naturgemäß wenig. Die Österreicher sind es seiner Ansicht nach aber, die in Europa die Kebab-Restaurants etabliert haben.

Dass Döner Kebab mittlerweile ein fixer Bestandteil der österreichischen – und auch der deutschen – Gastronomie ist, macht eine schöne Geschichte von Sarikoç deutlich. Er hat nämlich vor ein paar Jahren eine deutsche Familie dabei beobachtet, wie sie durch den Wiener Naschmarkt schlenderte. „Das waren Touristen, die sich Wien angeschaut haben. Als sie bei einem Kebab-Stand vorbeigegangen sind, hat das kleine Mädchen gesagt: ,Schau, Papa, Döner, wie bei uns zuhause.‘“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2014)

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