Nigeria: Boko Haram schlägt Gefangenentausch vor

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Die Islamisten veröffentlichen Video von etwa 130 gekidnappten Schülerinnen. Die Mädchen werden darin beim Gebet gezeigt. Terrorchef Shekau zeigt sich darin erstmals bereit, über eine Freilassung zu verhandeln.

Abuja. Eingehüllt in Ganzkörperschleier sitzen etwa 130 Mädchen nebeneinander auf dem Boden, offenbar beten sie. Sie befinden sich im Freien, an einem ländlichen Ort. Später richten sich drei Mädchen an die Kamera. Zwei sagen, sie seien Christinnen gewesen, aber jetzt zum Islam übergetreten. Das dritte Mädchen erklärt, es sei Muslima. „Uns wurde kein Leid angetan.“

17 Minuten dauert das Video, das die islamistische Terrorgruppe Boko Haram der Nachrichtenagentur AFP zuspielte. Es ist das erste Lebenszeichen der mehr als 200 nigerianischen Schülerinnen, die im April von den Islamisten in Nordnigeria entführt worden sind. „Wir haben diese Mädchen befreit, sie sind jetzt muslimisch“, sagt darin Boko-Haram-Anführer Abubakar Shekau. Er sei aber bereit, sie gehen zu lassen – wenn dafür inhaftierte Boko-Haram-Mitglieder freigelassen würden.

Zuvor hat die Gruppe gedroht, die Mädchen als Sklaven zu verkaufen. Einige Experten sehen daher im Video ein Hoffnungszeichen. „Erstmals signalisiert Boko Haram damit Bereitschaft zu verhandeln“, analysiert der BBC-Korrespondent. Er führt dies auf das internationale Engagement für die Freilassung der Schülerinnen zurück – und auf den enormen Druck, der dadurch auf die Regierung entstanden ist, mehr zu tun.

Hollande will Gipfel in Paris

Die USA und Großbritannien haben Expertenteams nach Nigeria gesandt, um die Regierung bei der Suche nach den Schülerinnen zu unterstützten. Eine israelische Antiterroreinheit ist derzeit auf dem Weg ins westafrikanische Land. Frankreichs Präsident François Hollande schlug vor, ein Gipfeltreffen westafrikanischer Staatschefs am kommenden Samstag in Paris abzuhalten. Gemeinsam sollen dort auch Maßnahmen gegen Boko Haram beraten werden. Auch EU und USA sollten dabei sein.

Hinzu kommt eine massive internationale öffentliche Kampagne, um die Befreiung der Kinder zu bewirken. Unter dem Hashtag #bringbackourgirls zeigte sich bei Twitter auch die First Lady der USA, Michelle Obama, mit den gekidnappten Schülerinnen solidarisch. Innerhalb Nigerias wächst indes die Wut auf die Regierung, der Passivität und Tatenlosigkeit vorgeworfen werden. Nahezu täglich finden Demonstrationen und Solidaritätskundgebungen für die Schülerinnen statt.

Wo diese sich befinden, ist nach wie vor unklar. Experten gehen davon aus, dass die Geiseln an getrennten Orten gehalten werden. Manche vermuten sie in den nordöstlichen Grenzgebieten Nigerias, andere meinen, sie könnten in den Tschad oder nach Kamerun verschleppt worden sein.

Boko Haram werden auch als „Taliban Nigerias“ bezeichnet. Seit 2009 verüben sie immer wieder Anschläge auf Polizei, Armee und Behörden – aber auch auf Kirchen und Schulen. Allein heuer wurden etwa 1500 Menschen bei Angriffen der Gruppe getötet. Die Terroristen kontrollieren inzwischen weite Gebiete im mehrheitlich muslimischen, verarmten und institutionell unterentwickelten Nordosten Nigerias. Laut einigen Experten wird Boko Haram von überregional agierenden Islamistengruppen, etwa der al-Qaida im islamischen Maghreb, logistisch und finanziell unterstützt.

Boko Haram ist übrigens nicht nur der Name der Terrorgruppe – er ist auch ihr Programm: Er bedeutet übersetzt „Westliche Bildung ist Sünde“. Vor allem für Frauen. (basta./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2014)

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