Probleme mit dem Jugendgefängnis

(c) APA (ROLAND SCHLAGER)
  • Drucken

Aus dem Anhaltezentrum Hernalser Gürtel soll ein Jugendgefängnis werden. Fraglich ist aber, ob die Polizei das Gebäude freigibt. Konzepte zur Vermeidung von Haft liegen indes vor.

Wien. Derzeit wachen 3200 Justizwachebeamte über Österreichs Gefängnisinsassen (aktueller Stand: etwa 9000). Bis 2018 soll es zusätzlich hundert Justizwachebeamte geben. Ein Gutteil des neuen Personals soll in einem neuen Jugendgefängnis am Hernalser Gürtel 6–12 (8. Bezirk) eingesetzt werden. Dies kündigt Justizminister Wolfgang Brandstetter an. Allerdings könnte es bei der Ankündigung bleiben. Denn derzeit besiedelt das Innenressort das von der Justiz ins Auge gefasste Gebäude. Und noch ist nicht einmal klar, ob die Polizei überhaupt auszieht. „Die Presse“ beantwortet die zentralen Fragen.

1. Wie kommt die Justiz auf das Gebäude am Hernalser Gürtel 6–12?

In diesem Bau (Fertigstellung 1908) werden seit mehr als hundert Jahren immer wieder Menschen eingesperrt. Zuerst diente die nun der BIG gehörige Liegenschaft als k.u.k. Garnisonsgericht samt Gefängnis. Dann befand sich dort das zweite Straflandesgericht Wien samt Gefangenenhaus, das legendäre „Zweier-Landl“. Seit 1989 sind Dienststellen des Innenressorts ebendort eingemietet. Etwa die Fremdenpolizei. Vor allem aber wird das Gebäude als Polizeianhaltezentrum genutzt. Aktuell werden dort 39 Schubhäftlinge festgehalten. Ob sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wirklich von dem Gebäude trennt, ist noch in Schwebe. „Derzeit verhandeln wir, welche Räume wir zur Verfügung stellen können“, erklärt Innenressort-Sprecher Alexander Marakovits der „Presse“. Es sei noch „alles offen“. Also sowohl die Variante, dass die Polizei nur auf einen Teil der Räume verzichtet, als auch die Variante, dass das Innenministerium überhaupt nicht auszieht.

2. Wie soll das neue Jugendgefängnis konzipiert sein?

Brandstetter spricht von einem „Kompetenzzentrum“ und von „neuartigen Formen des Jugendstrafvollzugs“. Zunächst sollen alle derzeit im Josefstädter Gefangenenhaus untergebrachten Jugendlichen (14 Jahre bis zum 18. Geburtstag) und die jungen Erwachsenen (18 bis zum 21. Geburtstag) an den Hernalser Gürtel übersiedeln. Dabei handelt sich vorwiegend um U-Häftlinge. Die durchschnittliche U-Haftdauer für Jugendliche beträgt übrigens 30 Tage. Aktuell werden ungefähr 40 Jugendliche und um die 120 junge Erwachsene in der Anstalt Josefstadt gefangen gehalten.

Auch der Frauentrakt (sämtliche Altersstufen) soll in das neue Gefängnis übersiedeln. Laut Experten des Justizressorts sollen in dem neuen „Zentrum“ um die 200 Haftplätze entstehen. Frühestens ab dem zweiten Quartal des kommenden Jahres ist mit einer stufenweisen Inbetriebnahme zu rechnen. Bei den Haftformen dürfte es Neuerungen geben. Außer der herkömmlichen Anhaltung in Hafträumen sollen die jungen Leute auch in Wohngruppen unterkommen. Dabei handelt es sich um einen offenen Vollzug innerhalb der Anstalt. Die jungen Leute können sich dort relativ frei bewegen, nach dem Motto: Die Türen sind nach außen zu, aber nach innen offen. Kritiker wenden ein, dass das nunmehr für Schubhäftlinge ausgelegte Gebäude erst umgebaut werden müsste, um für diese modernen Formen des Strafvollzugs gerüstet zu sein.

3. Wie sehen die Alternativen zur Haft für Jugendliche aus?

Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Art betreutes Wohnen. Straffällige junge Menschen (ca. acht Personen pro Wohneinheit) sollen zusammenleben und sich jeweils an eine fixe Tagesstruktur halten müssen. Diese Alternative zur Haft könnte je nach Einzelfall auch mit elektronischer Fußfessel kontrolliert werden. Sieben Konzepte für diese Form betreuten Wohnens liegen derzeit dem Justizressort vor. Laut „Presse“-Informationen hat zum Beispiel jenes der Kinderfreunde Niederösterreich mit dem Titel „Sozialpädagogische Wohngemeinschaft restart, Haftvermeidung für junge Menschen“ beste Chancen, angenommen zu werden. Das Konzept setzt auf eine „standardisierte Tagesstruktur“, also den werktäglichen Gang in die Schule oder an die Lehrstelle, sowie auf psychische Stabilisierung der Betroffenen.

4. Wird es wieder einen Jugendgerichtshof geben?

Nein. Dieser wurde als eigene Einheit 2003 von der schwarz-blauen Bundesregierung (Justizminister Dieter Böhmdorfer) aufgelöst. Die Jugendgerichtsbarkeit wurde ins Straflandesgericht Wien eingegliedert. Auch die jungen Häftlinge kamen in die Josefstadt, erhielten dort einen eigenen Zellentrakt. Eine Wiedererrichtung dieses Gerichtshofes ist – entgegen den mahnenden Stimmen vieler Jugendrichter – von der amtierenden Bundesregierung nicht beabsichtigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Innenpolitik

Justizminister plant neues Jugendgefängnis in Wien

Die hundert zusätzlichen Justizwachebeamte sollen vor allem im Jugendstrafvollzug eingesetzt werden, so Minister Brandstetter.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.