Ministeranklage: Koalition bremst

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HOLZINGER(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Der Wunsch von VfGH-Chef Holzinger, dass die Opposition mehr Rechte erhält, dürfte nicht in Erfüllung gehen. Neos wollen indes Fekter vor den VfGH bringen.

Wien. Sollen Minister von der Opposition wegen schuldhafter Rechtsverletzungen vor dem Verfassungsgerichtshof angeklagt werden können? Nein, meint SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder und begründet dies mit „justizpolitischen Überlegungen“. Die Ministeranklage als Minderheitenrecht wäre eine „unnötige Politisierung der Justiz“, erklärte er. Politische Fragen sollten im Parlament geklärt werden. Die ÖVP wollte sich am Montag nicht inhaltlich zum Thema äußeren. Derartige Fragen sollten in der geplanten Enquete zur Demokratiereform besprochen werden, hieß es aus dem schwarzen Parlamentsklub.

Initiiert hatte die Debatte Verfassungsgerichtshof-Präsident Gerhart Holzinger. Er hatte sich im „Presse“-Interview dafür ausgesprochen, die Ministeranklage zum Minderheitsrecht zu machen. Er begründete dies damit, dass die Ministeranklage momentan „totes Recht“ sei. „Ich halte es für demokratiepolitisch weise, wenn man rechtliche und vor allem verfassungsrechtliche Regelungen so gestaltet, dass sie auch wirken“, so Holzinger.

Noch nie wurde ein Minister angeklagt

Laut Verfassung bedarf es einer Mehrheit im Nationalrat, damit Mitglieder der Bundesregierung beim VfGH angeklagt werden können. Im Fall einer Anklage würde der VfGH prüfen, ob das Regierungsmitglied das Recht verletzt hat. Wird eine Schuld festgestellt, können die Richter entscheiden, dass der Minister das Amt verliert, sogar der Verlust des Wahlrechts darf ausgesprochen werden. Handelt es sich um eine bloß geringfügige Rechtsverletzung, kann der VfGH sich aber auch damit begnügen, die Verfehlung festzustellen und keine Sanktionen zu verhängen.

Noch nie wurde ein Mitglied der Bundesregierung vor dem VfGH angeklagt. Der einzige Fall einer Ministeranklage in der Zweiten Republik betraf den einstigen Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer senior (mit der Ministeranklage können auch Regierungspolitiker auf Landesebene vor den VfGH gebracht werden). Haslauer wurde 1985 angeklagt, weil er entgegen einer Weisung des Sozialministers die Geschäfte an einem 8.Dezember offen ließ. Haslauer (ÖVP) wurde verurteilt, durfte aber das Amt behalten.

Holzingers Forderung unterstützt hingegen Neos-Mandatar Rainer Hable. Er hatte bereits im Vorjahr beantragt, dass die Ministeranklage zum Minderheitenrecht wird. Wäre dem schon so, wüsste Hable, wen die Opposition als Ersten vor den VfGH stellen sollte: die wegen der Hypo-Affäre in der Kritik stehende ÖVP-Politikerin Maria Fekter. Sie ist zwar nicht mehr Finanzministerin, die Neos verweisen aber auf das Verfassungsgerichtshofsgesetz, laut dem Minister bis zu einem Jahr nach Ausscheiden aus dem Amt noch vor den VfGH gebracht werden können. Diesfalls hätte die Verurteilung freilich eher symbolischen Charakter.

Hypo-Brief an Fekter Anklagegrund?

Inhaltlich werfen die Neos Fekter vor, nach einem Brief des damaligen Hypo-Aufsichtsratspräsidenten Johannes Ditz vom 2.Mai 2013 („Die Presse“ berichtete im Vorjahr) nicht reagiert zu haben. Er und sein Vize Rudolf Scholten schrieben, dass der Staat die Hypo mit der Gründung einer Bad Bank entlasten soll. Dies geschah aber nicht, stattdessen wurden Milliarden Euro in die Hypo investiert, die man sich hätte sparen können. Wegen der Nationalratswahl habe die Ministerin nicht rechtzeitig gehandelt, meint Hable im Gespräch mit der „Presse“.
Aber auch unter Juristen ist umstritten, ob die Ministeranklage Minderheitsrecht werden soll. Theo Öhlinger fürchtet wie Schieder eine „Verpolitisierung der Justiz“. Öhlinger hält auch die geltende Norm nicht für totes Recht, denn sie mache klar, dass Minister sich an die Gesetze halten müssen. (aich/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2014)

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