PISA-Studie: Experten warnen vor negativen Folgen

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In einem offenen Brief warnen internationale Forscher und Lehrer vor "irreparablem Schaden" durch Messung von vielfältigen Bildungstraditionen.

Für Österreich ist der offene Brief etwas weniger aktuell als für andere Länder. Hat doch Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) den PISA-Test für 2015 wegen mangelnder Datensicherheit abgesagt. Dennoch ist das Schreiben internationale Bildungswissenschafter, Lehrerausbildner, Lehrer und Elternvertreter brisant.

Der Brief richtet sich an PISA-Erfinder Andreas Schleicher von der OECD. Darin wird vor den negativen Folgen der Bildungsvergleichsstudie auf die Schulsysteme gewarnt. Der Brief wurde u.a. von dem österreichischen Bildungswissenschafter Stefan Hopmann und Philosoph Konrad Paul Liessmann (beide Uni Wien) unterzeichnet.

»PISA hat die Bildungspraxis in vielen Ländern
inzwischen tiefgreifend beeinflusst. Als Folge der PISA-­Tests reformieren Staaten ihre
Bildungssysteme in der Hoffnung, ihr Abschneiden im PISA­Ranking zu verbessern. In
vielen Ländern führte der mangelnde Fortschritt bei den PISA-Tests dazu, eine „Bildungskatastrophe“ oder einen „ PISA­Schock“ auszurufen, gefolgt von Rücktrittsforderungen
und weitreichenden Reformen gemäß PISA­Maßstäben.«

Aus dem Brief internationaler Bildungswissenschafter, Lehrerausbildner, Lehrer und Elternvertreter

Neben knapp 140 Erstunterzeichnern haben sich in einer Petition bisher rund 600 Personen dem von Heinz-Dieter Meyer von der State University of New York und Katie Zahedi, Direktorin der New Yorker Linden Ave Middle School, initiierten Schreiben angeschlossen. Darin kritisieren sie den Fokus der Studie auf wirtschaftlich verwertbares Wissen, wodurch die Vorstellung von Bildung "in gefährlicher Weise verengt" worden sei. "Durch das Messen einer großen Vielfalt von Bildungstraditionen und -kulturen mit einem engen und einseitigen Maßstab kann am Ende unseren Schulen und unseren Schülern irreparabler Schaden zugefügt werden."

Die Bildungspolitik habe im Gefolge von PISA ihre Aufmerksamkeit auf kurzfristige Maßnahmen verlagert, obwohl nachhaltige Veränderungen Jahrzehnte bräuchten; gleichzeitig sei die OECD Allianzen mit multinationalen, profitorientierten Unternehmen eingegangen, "die bereitstehen, um aus jedem von PISA identifizierten - realen oder nicht realen - Bildungsdefizit Profit zu schlagen". PISA habe außerdem zu einem dramatischen Anstieg an Tests geführt, bei denen die Leistung von Schülern, Lehrern und Schulleitern aufgrund von Testergebnissen bewertet würden, "die weithin als ungenau bekannt sind".

"Besinnungspause" gefordert

Die Verfasser des Briefes fordern eine "Besinnungspause", in der über Verbesserungsmöglichkeiten nachgedacht werden soll. Ihre Vorschläge: Alternativen zu Rankings, in denen Industrienationen mit Entwicklungsländern mir Kinderarbeit verglichen werden, Einbindung aller relevanten Akteure (u.a. Eltern, Lehrer, Wissenschafter), unabhängige internationale Beobachterteams sollen die Durchführung der Studie überwachen und die Kosten der Studie veröffentlicht werden, so dass die Steuerzahler der Mitgliedsstaaten über eine weitere Teilnahme entscheiden und eine "alternative Verwendung der Millionenausgaben" erwägen können.

Zumindest Österreich steht eine solche "Besinnungpause" 2015 ohnehin bevor: Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek hatte nach einem Datenleck beim zuständigen Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) die Vortests zur PISA-Studie mit der Begründung gestoppt, dass die Datensicherheit nicht gewährleistet sei. Die für das Frühjahr 2014 geplanten Vortests sind Voraussetzung für eine Teilnahme an der eigentlichen Studie. Die Ministerin hatte zuletzt wiederholt betont, dass sie im Gespräch mit der OECD sei und großes Interesse an einer Lösung habe.

Hier der offene Brief.

(APA)

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