EU-Wahl: Doppeltes Kopf-an-Kopf-Rennen

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EU-WAHL / EU-WAHLPLAKATE(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Eineinhalb Wochen vor der EU-Wahl hat die SPÖ ein „Freund-Problem“, die Grünen streiten, und ÖVP und Neos sind keine kommunizierenden Gefäße. Auch die „Krone“ mischt wieder mit.

Es begann mit der Schlagzeile „Wilde Neos-Party im Parlament – Sicherheitsdienst musste einschreiten“. Die Grünen durften ihre Anti-Neos-Fibel hier lancieren. Und am vergangenen Sonntag ließ dann der Hausadvokat der Dichands in der „Krone bunt“ auf einer ganzen Seite „die rosarote Bombe platzen“: Die Neos seien unwählbar, dekretierte Tassilo Wallentin. Eine EU-Armee, die Wasserprivatisierung und überhaupt Spitzenkandidatin Angelika Mlinar – das alles ginge gar nicht.

Die „Kronen Zeitung“ macht wieder EU-Wahlkampf. Diesmal nicht für Hans-Peter Martin, der nicht mehr antritt. Sondern gegen die Neos. Und für den Pirato-Kommunisten Martin Ehrenhauser (Europa anders). Alte Liebe rostet eben nicht. Ehrenhauser ist einst auf der Liste Martin ins EU-Parlament eingezogen.

Allerdings: Das Boulevardblatt hat nicht mehr die Schlagkraft vergangener Tage. Der Wahlkampf hat sich zusehends in die sozialen Medien verlagert. Dort liefern sich nicht nur die Grünen gerade einen internen Generationen- und Geschlechterkampf – der grüne Twitterkönig Michel Reimon, unterstützt von Parteigranden, gegen die ehemalige Parteichefin Madeleine Petrovic . Sondern auch für die Sozialdemokraten wird hier ein Problem noch offensichtlicher, als es in der Realität ohnehin schon ist. „Eugen-Freund-Problem“ nennen dies auch Sozialdemokraten.

Spionageverdacht und Zahnarztkosten

Der ehemalige ORF-Moderator sollte als bekanntes Gesicht für eine Mobilisierung der Wähler sorgen. Doch die Rechnung geht nicht auf. „Die eigenen Funktionäre wollen für ihn nicht rennen“, heißt es aus der Partei. Seine Kandidatur ist von regelmäßigen Shitstorms in sozialen Medien begleitet.

Fast täglich wird er mit neuen Vorwürfen konfrontiert: Anfang dieser Woche zuerst mit einem Spionagevorwurf, dann standen erneut seine dem ORF als Korrespondent in Washington verrechneten Zahnarztkosten im Visier der Twitter-Community. „Von Freunds gelebter Mentalität, wonach der ORF alles zahlen muss“, ist in einem Schreiben des früheren ORF-Administrators Wolfgang Buchner wenig schmeichelhaft zu lesen, aus dem der „Standard“ zitiert.

Ein Ausweg scheint aber möglich. So setzt die SPÖ-Führung ihre Hoffnungen nun in den gesamteuropäischen Spitzenkandidaten der Sozialdemokratie, Martin Schulz. Der Deutsche, ein bodenständiger Linker, soll die eigenen Funktionäre in Österreich motivieren, doch noch für eine Mobilisierung zu sorgen. Eugen Freund soll nur noch die Riege der Pensionisten bedienen, die ihn aus der „Zeit im Bild“ wohlwollend kennen und nicht auf Twitter vernetzt sind.

Wenig bis gar nichts dran sein dürfte jedenfalls an den Vorwürfen, Freund sei Mitarbeiter des jugoslawischen Geheimdiensts gewesen. Es existiert zwar eine Registernummer im Archiv der UDBA, Beweise für eine aktive Tätigkeit Freunds, der damals Pressesprecher von Außenminister Willibald Pahr war, gibt es aber nicht. Unangenehm ist die Geschichte dennoch, die – ausgerechnet – über die „Kronen Zeitung“ ihren Weg an die österreichische Öffentlichkeit fand.

Den Verdacht, dass die FPÖ damit zu tun haben könnte, wies deren Spitzenkandidat Harald Vilimsky vehement zurück. Auffällig ist allerdings, dass jener slowenische Publizist, der die Freund-Geheimdienst-Geschichte publiziert hat, gute Kontakte zur FPÖ hat.

Karas, ein Kandidat ohne Partei

Die ÖVP – die ebenfalls im Verdacht steht, hinter dem Dirty Campaigning gegen Freund zu stecken – steht da noch vergleichsweise gut da. Die Neos scheinen der Volkspartei nicht wirklich groß zu schaden. Oder genauer gesagt: Othmar Karas, der ja ohne ÖVP-Logo Wahlkampf betreibt. In den meisten Umfragen liegen ÖVP und SPÖ zwar gleichauf, dennoch scheint das Momentum eher auf der ÖVP-Seite zu sein. Obwohl Karas keinen sonderlichen spektakulären Wahlkampf hinlegt.

In der jüngsten Pollwatch-Umfrage liegen SPÖ und ÖVP bei jeweils 24 Prozent. Das zweite Kopf-an-Kopf-Rennen spielt sich dann zwischen Neos (14 Prozent) und Grünen (13 Prozent) ab. Wobei die Neos zuletzt ein wenig ins Strudeln geraten sind. Daran ist nicht nur die „Krone“ schuld. Spitzenkandidatin Mlinar hat mit Aussagen zur Privatisierung der Gesundheitsversorgung und zur Gründung einer EU-Armee selbst aus Sicht einer europafreundlichen Gruppe, wie die Neos es sind, über das Ziel geschossen. Was Parteichef Matthias Strolz zur Klarstellung veranlasst hat, dass mitnichten daran gedacht sei. In einigen, von den politischen Gegnern in Auftrag gegebenen Umfragen sinkt die Zustimmung zu den zuletzt so erfolgreichen Neos. Davon profitieren soll aber nicht die ÖVP, sondern Ulrike Lunaceks grüne Partei.

FPÖ: Nichts gewonnen, nichts verloren

Die FPÖ wiederum liegt weitgehend stabil auf Platz drei. Die Mölzer-Affäre, der Heuler zu Beginn des Wahlkampfs, scheint keine größeren Auswirkungen gehabt zu haben: Die Freiheitlichen liegen laut Pollwatch nach wie vor bei rund 19 Prozent. Demoskopen gehen diesmal aber nicht davon aus, dass die Freiheitlichen – wie in der Vergangenheit üblich – bei der Wahl dann deutlich besser abschneiden als in den Umfragen davor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2014)

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