Spindeleggers Signale gegen eine Diskriminierung von Schwulen und Lesben überlagern den Offensivplan seiner Partei zur (Steuer-)Reformdebatte. Nun ist die ÖVP um eine Beruhigung bemüht.
Wien. Michael Spindelegger hat es geschafft, dass die Zuhörer seine Österreich-Europa-Rede heute, Donnerstag, gemeinsam mit dem ÖVP-EU-Spitzenkandidaten Othmar Karas mit besonderem Interesse verfolgen werden. Das jüngste Vorpreschen des ÖVP-Bundesparteiobmanns und Vizekanzlers für eine offene Haltung bei den angelaufenen Gesprächen mit dem Koalitionspartner SPÖ über Änderungen der Rechte von Homosexuellen und Lesben erfolgte im Alleingang. ÖVP-intern war, wie zu erfahren war, mit schwarzen Landes- und Bündechefs seit dem vergangenen Wochenende eine ganz andere Stoßrichtung für den ÖVP-Kurs abgestimmt worden. Seit Dienstagvormittag wird jetzt auch parteiintern gerätselt, wie weit der Schwenk Spindeleggers in der Frage der Homosexuellenrechte tatsächlich geht und ob er damit konservative Wähler möglicherweise schon bei der EU-Wahl verprellt.
Nach außen hin gibt sich die ÖVP gelassen. Die Beratungen mit der SPÖ über Fragen wie Namensrecht, Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare, künstliche Befruchtung und weitere 40 Punkte möglicher Diskriminierungen würden bereits auf Ministerebene geführt. Der Vizekanzler habe zum Ausdruck bringen wollen, dass sich die ÖVP nicht von vornherein querlegt, heißt es.
Schon am Dienstag war bei Funktionären in ÖVP-Kreisen aber von Kopfschütteln bis zu Unverständnis wegen der Signale Spindeleggers die Rede. Aus der Zentrale gab es nach dessen Ministerratsauftritt eine interne Information, dass sich die ÖVP offensiv der Diskussion stellen müsse. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass die einzelnen Punkte erst von den Ministern besprochen würden. Dass diese Nachricht direkt vom ÖVP-Generalsekretariat kam, wurde in der Parteizentrale dementiert.
Von Kirchenseite erfolgte am Mittwoch ein öffentlicher Schuss vor den Bug für die ÖVP und die Regierung. Der für die Familien zuständige St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng deponierte „ein klares Nein“ zur Adoption durch homosexuelle Paare und sprach von „besorgniserregenden Entwicklungen“.
Sieben-Punkte-Liste für Reformen
Spindelegger hatte die Offensive zur Steuer- und Spardebatte am Wochenende akkordiert. Nach „Presse“-Informationen wurde mit den ÖVP-Landeshauptmännern eine Liste mit sieben Punkten (darunter rasche Strukturreformen, Sparen in der Verwaltung, weitere Schritte bei Gesundheits- und Pflegereform) abgesegnet. Am Montag wurden die Obleute der Bünde einbezogen. Treffen mit Landes- und Bündechefs am Samstag bzw. Montag werden in der ÖVP-Zentrale als „absoluter Blödsinn“ bezeichnet.
Am Mittwoch rückten ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka und Generalsekretär Gernot Blümel aus. Thema: Mobilisierung für das EU-Wahlkampffinale mit Breitseiten gegen die politischen Gegner. Das ÖVP-Duo nützte die Gelegenheit auch, um sich gegen eine politische Vereinnahmung des Songcontest-Erfolgs von Conchita Wurst zu verwahren. Lopatka griff Regierungs- und SPÖ-Chef Werner Faymann an: Dieser müsse „aufpassen, wenn man als Trittbrettfahrer unterwegs ist, gerade als Bundeskanzler“. Wurst war für Sonntag zu einem Empfang ins Kanzleramt eingeladen worden, dann folgt ein Konzert auf dem Ballhausplatz.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2014)