Verwaltungsreform: Die irre Welt der Bürokratie

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Statt noch eine Kommission zu gründen, könnte die Regierung zur Abwechslung existierende Vorschläge umsetzen.

Wer wissen will, ob, und wenn ja, wie dringend wir eine Staats- und Verwaltungsreform benötigen, der möge sich in aller Ruhe obige Grafik zu Gemüte führen. Die ist nicht das künstlerische Ergebnis einer Therapiesitzung in der ehemaligen Landesnervenheilanstalt Gugging, sondern zeigt die Organisationsstruktur des land- und forstwirtschaftlichen Fachschulwesens in Österreich. Fünf Abteilungen aus zwei Ministerien und „diverse Abteilungen“ aus neun Landesregierungen administrieren auf diese absolut irre Weise den Unterricht für einen nur sehr kleinen Teil des heimischen Schulwesens mit gerade einmal 16.000 Fachschülern.

Es ist wohl nicht nötig, näher zu erläutern, wo sich ein Unternehmen mit einer derartigen Organisationsstruktur sehr bald wiederfände. Und wenn jetzt wieder jemand behauptet, in der Verwaltung gäbe es keine Effizienzreserven, dann möge man ihm diese Grafik zeigen.

Das Beunruhigende daran: Solche Wahnsinnsstrukturen sind kein Einzelfall. Die Ausgabe 2011/1 der Reihe „Positionen“ des Rechnungshofs ist voll davon. Das ist übrigens jenes RH-Papier, in dem die berühmten 599 Vorschläge für eine Verwaltungsreform aufgelistet sind. Von denen sind ein paar tatsächlich schon umgesetzt, die ganz großen Brocken aber eben nicht.

Die will die Regierung jetzt angeblich wirklich angehen. Erste Maßnahmen sind schon angekündigt: Die Gründung eines neuen Amtes namens „Amt der Bundesregierung“ (wer hat da gerade meckernd gelacht?) und die Einsetzung einer „Aufgabenreform- und Deregulierungskommission“.

Mehr muss man eigentlich nicht wissen, um zu sehen, dass auch diese Regierung keinen Bock auf echte Reformen hat. Die Einsetzung einer solchen Kommission im Jahr nach der Wahl ist nämlich wirklich nichts Neues. Neu wäre nur, dass deren Ergebnisse auch ernst genommen werden.

Genauso gut hätten die Herren Faymann und Spindelegger nämlich eine Kommission für die Erfindung des Rades einsetzen können. Eine solche für die Verwaltungsreform gibt es jedenfalls schon: Sie nennt sich „Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Konsolidierungsmaßnahmen“, besteht aus Experten des Rechnungshofs, des Wifo, des Instituts für Höhere Studien und des KDZ (Zentrum für Verwaltungsforschung). Sie wurde im Februar 2009, also auch ein paar Monate nach der Wahl, vom Kabinett Faymann I installiert – und hat hervorragende Arbeit geleistet. Diese manifestiert sich unter anderem in den 599 Reformvorschlägen des Rechnungshofs und in einem Wifo-Papier mit konkret festgemachten Einsparungs- und Effizienzsteigerungspotenzialen in Milliardenhöhe. Der einzige Fehler: Die Kernerkenntnisse der Experten wurden nie umgesetzt.

Wenn die Regierungsspitze jetzt mit der Ankündigung durchs Land tourt, die neue Kommission werde nun endlich die Potenziale für eine Reform ausarbeiten, dann ist das schlichter PR-Nonsens: Es mangelt nicht an konkreten Vorschlägen, sondern am Reformwillen und an der Durchsetzungskraft der Regierenden. Die lässt sich auch durch noch so viele Kommissionen nicht herstellen.


Es kann natürlich sein, dass wir uns diesmal täuschen und die Regierung Faymann II wirklich etwas auf die Beine stellt, an dem die Regierung Faymann I kläglich gescheitert ist. Man wird das relativ bald sehen. Denn Geld für das Budget wird ja akut gebraucht. Wenn man weiter, wie das jetzt geschieht, über Reformen nur redet, Steuern aber konkret erhöht und neu einführt, dann ist eben auch diese Legislaturperiode nur „business as usual“. Denn ein Jahr vor den nächsten Wahlen wird es keine einschneidenden Strukturreformen mehr geben, so realistisch muss man sein.

Klar: Reformen, die in Strukturen eingreifen (etwa die Entwirrung oben abgebildeten Organigramms), wirken nur mittelfristig. Es gibt aber auch welche, die relativ schnell umsetzbar sind. Beispielsweise im Förderwesen: Österreich gibt für Förderungen jährlich 15 Mrd. Euro oder 5,5 Prozent des BIPs aus. In der EU sind es 2,3 Prozent, in den USA 0,6 Prozent.

Österreich gibt aber nicht nur sehr viel aus, sondern tut dies auch noch schlecht: Laut der „Problemanalyse Förderungswesen“ des Rechnungshofes fehlen Gesamtstrategie und konkrete Förderungsziele, es gibt keine Abstimmung über Ziele und Förderungsmaßnahmen innerhalb und zwischen den Gebietskörperschaften, es fehlen Daten über die Wirkung der Förderungen, es fehlt an Transparenz, die Kontrolle ist unzureichend und es gibt ein „Missverhältnis zwischen dem Förderungseffekt und dem Verwaltungsaufwand“.

Ein bisschen populärwissenschaftlicher formuliert: Bund, Länder und Gemeinden pulvern 15 Milliarden in ein Förderwesen, ohne einen wirklichen Überblick zu haben und ohne, dass es sie interessiert, ob und was sie damit überhaupt bewirken. Da gibt es wohl ganz ohne Kommission blitzartigen Handlungsbedarf.

Der Knackpunkt kommt aber 2015, wenn die Verhandlungen über den neuen Finanzausgleich, den nicht wenige Experten für die größte Geldvernichtungsmaschine der Republik halten, beginnen: Wenn da wieder nur über Anteile gefeilscht und keine komplette Neuordnung des heimischen Föderalismus angegangen wird, dann ist eine echte Verwaltungsreform wohl bis mindestens 2020 aufgeschoben. Bezahlen werden wir das dann mit noch höheren Steuern.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2014)

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