Von wegen gut verwaltet. Dank der Pannenmatura wissen wir endlich ganz genau: Wir schaffen große Veränderungen organisatorisch einfach nicht.
Es gibt gute Nachrichten für und aus Österreich: Viele ideologische Grabenkämpfe, so manche komplexe Fragestellung und nicht wenige politische Entscheidungen könnten wir uns in Zukunft zum Wohl von Harmonie und koalitionärer Eintracht einfach ersparen. Dies zeigt der Bildungsbereich in den vergangenen Monaten eindrücklich.
Die Diskussion um die Einführung einer zentralen Matura etwa, die Debatte um die Sinnhaftigkeit und die notwendigen Konsequenzen aus mediokren PISA-Tests und natürlich das gute alte Thema Gesamtschule – das brauchen wir alles nicht mehr. Denn spätestens seit den dämlichen Pannen bei der neuen einheitlichen Matura wissen wir: Wir können das organisatorisch einfach nicht. Ganz egal, ob nun der typische österreichische Widerstand in Gestalt des elegant, hilflosen Sich-dumm-Stellens dahintersteckt, oder echte intellektuelle Defizite.
Von besonderer organisatorischer Gabe war auch der Umgang mit den Daten vergangener Tests: „Die Presse“ entdeckte solche auf einem Server, der irgendwo in Rumänien stand. Die zuständige Gabriele Heinisch-Hosek kündigte daraufhin das Aussetzen des PISA-Tests an. Sie hätte eigentlich auch noch das Verbot von Datenservern ankündigen können. Gibt es eigentlich noch irgendjemanden, der wirklich glaubt, der Staat und seine jeweiligen Minister seien in der Lage, eine echte Bildungsreform durchzuführen? Wie will Heinisch-Hosek eine neue Schule für alle auf die Beine stellen, wenn nicht einmal ein paar Daten geschützt werden und Matura-Aufgaben sinnerfassend gestellt werden können?
Zugegeben: Mit dem BIFIE und seinen Direktoren hatte Heinisch-Hosek den organisatorischen Feind im eigenen Haus. Selten fiel eine Institution mit so stolz vorgetragenem Dilettantismus auf. Die Absetzung – Entschuldigung: der Rücktritt – der beiden Direktoren beweist zwar eine gewisse Konsequenz der Ministerin (und natürlich die Angst vor der nahenden EU-Wahl), wird aber wohl nicht das Grundproblem lösen: Kann dieses Institut überhaupt noch tätig werden? Eher nein. Oder: Was passiert eigentlich im Bildungsressort an Arbeit? Nicht so viel offenbar. Und gibt es in diesem Land so etwas wie eine Ministerverantwortung? Nein. Stimmt, personelle Konsequenzen wie die nun präsentierten sind in Österreich auch bei skandalösen Vorfällen eine Seltenheit – und daher begrüßenswert: Aber was passiert danach inhaltlich und vor allem strukturell an Veränderungen? An dieser Stelle eine kurze störende Zwischenfrage in die Conchita-Wurst-Partyschlange um das Kanzleramt: Was wurde eigentlich aus dem Augiasstall namens Burgtheater? Auch dort wurde panisch der Direktor in die Wüste geschickt und Aufklärung versprochen. Kommt da noch etwas?
Aber vermutlich wird uns auch Gabriele Heinisch-Hosek in Kürze erklären, dass es nun vor allem darum gehe, Ruhe und Beruhigung in die Schulen und Maturaklassen zu bringen. Vielleicht ist es auch der eigentliche Sinn der absurd langen Sommerferien in den Schulen: politische Ruhe.
Das besonders Ärgerliche der (un-)absichtlichen Dauersabotage sind ihre Folgen: Die Gegner jedweder Veränderung – ja, sie muss passieren, liebe ÖVP-Bewahrer – bekommen so Oberwasser. Daten gehen verloren? Weg mit PISA und Test – damit gibt es auch keine flächendeckende Evaluierung von Schulen, Lehrern und Schülern (in dieser Reihenfolge!), und somit wird es wieder viel gemütlicher.
Gerade das war und ist die Chance einer zentralen, einheitlichen Matura: Endlich werden die bisher nur bruchstückhaft erhobenen und nur gefühlten Unterschiede dargestellt: Wo sind die Schulen und die Lehrer gut und wo nicht? Das Gerede von der individuellen Behandlung der Schüler (und Klassen) ist ein solches: Dafür war eigentlich acht Jahre lang Zeit.
Nein, es sind abschreckende Signale und Nachrichten, die da aus dem Bildungsressort und den Schulen kommen. Wenn schon so viel von der Gefahr und dem Handicap für den Standort Österreich die Rede ist: Schlechte Ausbildung ist das größte Gift.
E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2014)