Nach Pannenserie
Nach Pannenserie: Das Zentralmatura-ABC
Von den A-nfängen über F-ehler und K-osten bishin zum neuen Z-eitplan: Ein Überblick über die neue Reifeprüfung.

A wie Anfänge
Im Frühjahr 2008 legte die damalige Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) den Grundstein für die Zentralmatura. Sie schickte einen Gesetzesentwurf in Begutachtung, mit dem im Schulunterrichtsgesetz ermöglicht wird, dass Termine und Aufgaben für die Matura zentral verordnet werden können. Ende Juni 2009 einigten sich SPÖ und ÖVP auf die Reform.
Clemens Fabry

B wie BIFIE
Das Bundesinstitut für Bildungsforschung (BIFIE) wurde mit Ausarbeitung und Durchführung betraut. Schon unter der damaligen Leitung von Josef Lucyshyn und Günter Haider stand die Arbeit des BIFIE in der Kritik. Die seit April 2013 zuständigen Chefs, Martin Netzer und Christian Wiesner, mussten nach der aktuellen Pannenserie den Hut nehmen.
Clemens Fabry

C wie Chancen
Die Befürworter der Zentralmatura sehen in dieser eine große Chance: So könnte sichergestellt werden, dass alle österreichischen Maturanten ein bestimmtes Leistungsniveau erreichen. Außerdem würde die Vergleichbarkeit zwischen Schulen und Schülern verbessert.
APA/BARBARA GINDL

D wie "Die Schnecke"
Bei der heurigen Zentralmatura lief so einiges schief. Harsch kritisiert wurde etwa die Deutschmatura, da nach Ansicht von Germanisten der Text "Die Schnecke" des Autors Manfred Hausmann als Pardonierung für Naziterror und Holocaust verstanden werden könnte. Das BIFIE gestand einen Fehler ein: Man hätte den problematischen biografischen Hintergrund des Autors transparent machen müssen.

E wie Experten
Die Beispiele der Zentralmatura werden nicht direkt vom BIFIE, sondern von Expertenteams entwickelt. In diesen sitzen zahlreiche Wissenschafter, aber auch ehemalige und noch unterrichtende Lehrer. Die Schulpartner - Schüler, Lehrer und Eltern - fordern, dass sie in die Konzeption noch mehr eingebunden werden.
APA/BARBARA GINDL

F wie Fehler
Fehler sind bei der heurigen Zentralmatura viele passiert. Den Anfang nahmen die Pannen damit, dass der Notenschlüssel bei der Englisch-Matura nach oben korrigiert wurde - und zwar ohne, dass Schüler und Lehrer davon wussten. Weiter ging es bei der Mathematik-Reifeprüfung, bei der an fünf Wiener AHS nur acht statt 24 Aufgaben abgedruckt waren (siehe Y). Dann sorgte noch die Auswahl des Deutschtextes für Aufregung (siehe D).
APA/HERBERT NEUBAUER

G wie Gewerkschaft
Die Gewerkschaft war noch nie ein großer Fan davon, dass die Lehrer bei der Erstellung der Beispiele gar nichts mehr mitzureden haben. Deshalb wünscht sich AHS-Gewerkschafter Eckehard Quin eine teilzentrale Matura (siehe T).
Clemens Fabry

H wie Höhere Schulen
Die komplette neue Matura wurde heuer an nur zwei AHS - dem Stiftsgymnasium St. Paul/Lavanttal und der Liese Prokop Privatschule für Hochleistungssportler - absolviert. Erst 2015 müssen sich alle AHS-Maturanten verpflichtend der Zentralmatura stellen. Im Jahr 2016 ist es dann auch an den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) so weit.
APA/GERT EGGENBERGER

I wie International
In der überwiegenden Mehrheit der europäischen Länder gibt es eine Art Zentralmatura. Darunter sind zahlreiche Länder, in denen nicht nur die schrifliche, sondern auch mündliche Matura zentral abgehalten wird. Frankreich etwa gilt als Vorzeigebeispiel für die zentrale Matura. Dort findet auch die Benotung an zentraler Stelle statt.
(c) imago/Manngold (imago stock&people)

J wie Jahresleistung
Die Regelung ist einfach: Die Note, die ein Schüler bei der Zentralmatura erreicht, ist zugleich die Note, die im Maturazeugnis steht. Doch so mancher Experte rät zu einer anderen Notengebung. Angedacht wurde etwa, dass auch die Leistung, die im Laufe des gesamten Schuljahres erbracht wurde, miteingerechnet wird.
Clemens Fabry

K wie Kosten
Die Zentralmatura ist ein kostspieliges Projekt - schon einmal musste deshalb das Budget des Bildungsinstituts BIFIE nachgebessert werden. Konkret im Herbst 2009. Davor rechtnete man allein für die AHS in den Jahren 2009 bis 2013 mit Kosten in Höhe von 13,7 Mio. Euro. Dann hieß es: Die Entwicklung und Umsetzung der neuen Reifeprüfung wird zwischen 2009 und 2014 insgesamt 29 Mio. Euro kosten.
Clemens Fabry

L wie Löhne
Teuer wird auch der Abgang der BIFIE-Chefs werden. Eigentlich wären ihre Verträge noch bis Ende März 2018 gelaufen. Dass sie nun mit Ende Juli "einvernehmlich" den "Weg frei machen", dürfte einiges kosten. Immerhin sind die Posten mit 150.000 Euro brutto im Jahr dotiert. Für die übrigen 44 Monate, die die BIFIE-Chefs noch im Amt hätten bleiben sollen, wären jedem einzelnen Chef noch mehr als 470.000 Euro zugestanden.
Clemens Fabry

M wie Mündliche Matura
Auch bei der mündlichen Reifeprüfung ändert sich einiges: Die Prüfungsfragen stellt nämlich nicht mehr ein Lehrer allein zusammen, sondern ein Lehrerteam. Dieses bereitet maximal 24 Themen vor. Aus diesem "Themen-Pool" eines Gegenstandes zieht der Schüler zwei Themen und muss sich für eines davon entscheiden. Weder Schüler noch Lehrer wissen also, welche Frage welchem Schüler gestellt wird.
Die Presse

N wie Nivellierung
Die Gegner der Zentralmatura warnen seit Jahren vor einer "Nivellierung nach unten" - also einem großen Leistungsverlust. Ihre Argumentation: Das Niveau werde automatisch nach unten geschraubt, da alle Schüler durch die Zentralmatura die selben Beispiele lösen müssen. Das könne nur dann funktionieren, wenn die Beispiel leichter gemacht werden, so ihre Vermutung.
Clemens Fabry

O wie Organisation
Die Zentralmatura ist ein Hochsicherheitsprojekt. Geheimhaltung bei der Erstellung der Aufgaben sehr wichtig. Jeder, der damit befasst ist, unterschreibt eine entsprechende Klausel. Die Auswahl der Beispiele geht an eine (geheim gehaltene) Druckerei. Zehn bis 14 Tage vor dem Maturatermin rollen Sicherheitstransporte durch Österreich, um die versiegelten Kuverts an die Schulen zu verteilen. Die Aufgaben müssen bis zum Tag der Matura in einem Safe aufbewahrt werden.
Michaela Bruckberger

P wie Politik
Die Pannen rund um die Zentralmatura haben politische Kraft. Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) steht seither im Kreuzfeuer der Kritik. "Bei all dem, was im Unterrichtsministerium an mangelnder Kompetenz, Steuerung und Aufsicht augenscheinlich geworden ist, wäre es wohl schäbig und einer Ministerin mit Führungsverantwortung unwürdig, sich selbst von jeglicher Verantwortung freizusprechen", sagte etwa ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel.
Clemens Fabry

Q wie Quote
Die sogenannte Reifeprüfungsquote liegt in Österreich bei rund 40 Prozent. Zum Vergleich: Im Schuljahr 1986/87 lag die Reifeprüfungsquote erst bei 24,9 Prozent. Vor allem junge Frauen absolvieren verstärkt die Matura: Vor zwei Jahrzehnten waren die weiblichen und männlichen Reifeprüfungsquoten etwa gleich hoch. Beim Maturajahrgang 2010/11 betrug der Anteil der Frauen 47,1 Prozent und bei den Männern 33,7 Prozent.
APA/HERBERT PFARRHOFER

R wie Ruhe
Die Hysterie ist nach der Pannenserie (siehe F wie Fehler) bei der Zentralmatura auf einen neuen Höchststand gestiegen. Oberstes Gebot für die Bildungsministerin: Ruhe in die Diskussion zu bringen. Sie kündigte bereits an, dass die Kommunikation - die stets kritisiert wurde - verbessert werden müsse.
APA/ROLAND SCHLAGER

S wie Schüler
Der gemeinsame Aufstand von Schülern, Lehrern und Eltern führte im Juni 2012 zu einer Verschiebung der Zentralmatura um ein Jahr - an den AHS von 2014 auf 2015, an den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) von 2015 auf 2016. Die Kritik der Schüler ist dadurch aber nicht verstummt. Im Gegenteil: Ende 2013 drohen sie mit Streik. Das BIFIE kam den Schülern entgegen und nahm kleine Änderungen beim Beurteilungsschlüssel vor.
Clemens Fabry

T wie Teilzentral
Bildungsexpertin Christa Koenne hält nur wenig von der geplanten vollzentralen Matura, bei der alle Beispiele zentral vorgegeben werden. Ihre Idee: Nur ein Teil der Beispiele sollte zentral erstellt werden. Dieser Teil soll darüber entscheiden, ob ein Schüler die Matura besteht oder nicht. Die restlichen Beispiele sollen wie gewohnt von den Lehrern entwickelt werden. Diese sollten über die Noten von ein bis vier entscheiden.
Michaela Bruckberger

U wie Uni-Reife
Die überweigende Mehrheit der Maturanten beginnt in den ersten drei Jahren nach Schulabschluss ein Studium (69,5 Prozent). AHS-Absolventen entscheiden sich besonders oft für ein solches (88,6 Prozent). An den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) sind es 56,9 Prozent.
Fabian Hainzl

V wie Vorwissenschaftliche Arbeit
Kritik gab es vor Kurzem auch an der dritte Säule der neuen Zentralmatura: der sogenannten vorwissenschaftliche Arbeit. Bei der Genehmigung der Themengibt es Probleme. Die Schulaufsicht führt die Genehmigungen nämlich ohne Extra-Personal durch. Das heißt: In Wien überfliegen sieben Schulinspektoren rund 6000 Exposés. In Niederösterreich waren zwei Inspektoren für 3200 Themenvorschläge zuständig.
Clemens Fabry

W wie Wissen
Die Grundidee der neuen Reifeprüfung ist schnell erklärt: Alle Maturanten eines bestimmten Schultyps sollten am Ende über das selbe Wissen verfügen. Das soll sowohl Unis als auch Firmen helfen, die seit Jahren über das sehr unterschiedliche Leistungsniveau der Schulabsolventen klagen.
Clemens Fabry

X wie X-Achse
Die Kritik von Lehrern und Schülern war stets im Fach Mathematik am heftigsten - und auch die Umstellung war hier wohl am größten. Plakativ gesagt: Es geht weniger um das Rechnen an sich und mehr um das Verstehen. Deshalb musste auch der Unterricht verändert werden. Die Klage über zu wenig Unterrichtsmatrialien und Übungsbeispiele ist dabei noch immer nicht verstummt.
Clemens Fabry

Y wie Y-Achse
Die Panne machte das Chaos in Mathematik dann quasi perfekt. An fünf Wiener AHS fanden die Maturanten in ihren Testheften nur acht statt 24 Aufgaben. Die fehlenden Aufgaben mussten von den Direktoren aus dem Internet heruntergeladen und kopiert werden. Für die Schüler wurde die Arbeit nach Absolvierung der acht vorhandenen Aufgaben unterbrochen. Nach einer Pause wurde die Matura fortgesetzt.
Clemens Fabry

Z wie Zeitplan
Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hat einen strengen Zeitplan für das BIFIE vorgegeben. In einem Monat soll der Endbericht vorliegen, in dem analysiert wird, was bei der Zentralmatura falsch gelaufen ist. Ende Juli treten die beiden BIFIE-Chefs ab. Dann kommt ein interimistischer Direktor, der aus den Reihen der Ministeriums besetzt wird. Im Sommer soll sich eine Tasforce mit einer möglichen Neustrukturierung des BIFIE beschäftigen.
APA/ROLAND SCHLAGER