Budget: Schuldenbremse mit Schwachstellen

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Zu hohe Defizite in einem Euroland gefährden alle anderen Mitgliedstaaten. Der Fiskalpakt soll das zwar verhindern – er ist aber zahnlos und zu wenig verbindlich.

Wien. Die europäische Währung wird langfristig nur überleben können, wenn es eine einheitliche und strikte Finanzpolitik gibt. Was passiert, wenn einzelne Länder auf Pump leben, hat man bei Griechenland gesehen. Die EU wäre somit gefordert, Instrumentarien einzuführen, die Derartiges verhindern – und diese sind derzeit nicht in Sicht.

Natürlich gibt es schon ein Regelwerk: den Fiskalpakt. Die EU-Länder außer Großbritannien und Tschechien haben sich dazu verpflichtet, eine „Schuldenbremse“ einzuführen. Das heißt, die Budgets sollen in guten Zeiten „ausgeglichen oder im Überschuss“ sein. Als ausgeglichen gilt ein Haushalt dann, wenn das strukturelle Budgetdefizit höchstens 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht.

Mit dem Wort „strukturell“ ist jenes Defizit gemeint, das ohne Einmaleffekte wie zum Beispiel die Privatisierung von Staatsbetrieben entsteht. Schießt die Neuverschuldung über diese Grenze hinaus, sollen automatische Sparmaßnahmen folgen. Genau hier aber liegt die erste Schwäche des Fiskalpakts: Die Sparmaßnahmen sind in einer wenig verbindlichen Form vereinbart.

Alle Länder sollen diese Schuldenbremse nämlich durch „Vorschriften von bindender Kraft und dauerhaftem Charakter, vorzugsweise verfassungsmäßig, oder auf andere Weise“ einführen, die garantiere, „dass sie während des gesamten nationalen Budgetprozesses voll respektiert und eingehalten wird“. Diese Formulierung weckt nur den Anschein von Verbindlichkeit, ist es aber nicht. Anders wäre es gewesen, hätten sich die EU-Länder darauf einigen können, die Schuldenbremse in die jeweilige Verfassung aufzunehmen. So kann sie aber auch durch einfache gesetzliche Bestimmungen eingeführt werden – und somit bei geänderten Mehrheitsverhältnissen jederzeit wieder außer Kraft gesetzt werden. Österreich ist das beste Beispiel für diese Vorgangsweise: Die Koalition war sich zwar über das gesetzliche Verbot einig, Defizite zu produzieren, konnte die Opposition aber nicht davon überzeugen.

Die geltende Regel hat aber noch weitere Schwachstellen. Der Fiskalpakt sieht nämlich vor, dass sich die Unterzeichnerländer bei „außergewöhnlichen Umständen“ weiterhin höher verschulden dürfen – also dann, wenn „ein ungewöhnliches Ereignis außerhalb der Kontrolle“ des jeweiligen Staates „eine große Einwirkung auf die finanzielle Position der Regierung hat“, oder in „Zeiten eines schweren wirtschaftlichen Abschwungs“.

Das hat durchaus nachvollziehbare Gründe: In einer Rezession verschärft Sparen die Probleme. Aber es fehlt eine klare Interpretation für den Begriff „ungewöhnliche Ereignisse“. Das birgt die Gefahr jener unsauberen Kompromisse aus politischer Rücksichtnahme, die die Maastricht-Kriterien des bestehenden Stabilitätspakts zeitweise aushöhlten.

Nachbessern könnte man auch bei den Sanktionen. Bei Nichteinführung der Schuldenbremse kann der Europäische Gerichtshof auf Antrag eines Mitgliedstaats eine Geldstrafe von 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung des betroffenen Landes verfügen. Dieses Geld fließt, falls ein Euroland betroffen ist, an den Euro-Währungsfonds ESM, sonst ins EU-Budget. Wenn eine Regierung allerdings bei ihrer Budgeterstellung ihre Schuldenbremse ignoriert, ist dafür nicht der EuGH zuständig, sondern die jeweils national kompetenten Gerichte. Denn eine unmittelbare Kontrolle der nationalen Budgethoheit der Euroländer durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verbieten die EU-Verträge derzeit ausdrücklich.

Sicher, der Ruf nach besseren Eingriffsrechten aus Brüssel ist ein zweischneidiges Schwert: Sehr rasch wird da auch in die Souveränität der Staaten eingegriffen. Was aber notwendig wäre, sind bessere Sanktionsmechanismen. Möglich wäre beispielsweise der Entzug aller Subventionen aus europäischen Töpfen oder der Entzug des Stimmrechts im EU-Rat. Denn nur wenn es wirklich wehtut, werden sich die Länder auf Dauer an den Fiskalpakt halten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2014)

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