Robert Krause: "Wir brauchen dringend neue Substanzen"

Laborglaeser mit bunter Fluessigkeit - laboratory glass with coloured liquid
Laborglaeser mit bunter Fluessigkeit - laboratory glass with coloured liquidwww.BilderBox.com
  • Drucken

Der Grazer Infektiologe Robert Krause erklärt im Gespräch mit der »Presse«, wie er mit seiner Forschung Risikopatienten schneller finden will und was der Einzelne zum Kampf gegen Resistenzen beitragen kann.

Sie kommen eben von der weltgrößten Konferenz für Klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten, der ECCMID in Barcelona, zurück. Welche Eindrücke und neuen Erkenntnisse bringen Sie mit?

Krause: Was die Entwicklung neuer Antibiotika betrifft, komme ich mit wenig neuen Erkenntnissen zurück, aber genau das ist das Problem. Noch vor fünf bis zehn Jahren sind viele neue Substanzen auf den Markt gekommen. Das ist immer weniger geworden, und jetzt haben wir gar nichts Neues mehr.

Hängt das mit den billigeren Generika zusammen, die auf dem Markt sind?

Krause: So argumentiert natürlich die pharmazeutische Industrie, die sich die aufwendige anti-infektive Forschung nicht mehr leisten will. Außerdem sind Infektionskrankheiten ja akute Erkrankungen. Man braucht also eine Zeit lang ein Medikament und dann nicht mehr – im Gegensatz zu anderen Krankheiten, etwa der Zuckerkrankheit oder dem Bluthochdruck oder sonstigen Therapien, bei denen ein Patient ein Medikament sehr, sehr lange schluckt.

Das heißt, man sieht trotz des großen Markts kein Geschäft?

Krause: Es zahlt sich für die Firmen nicht aus. Wobei manche jetzt auch ganz offen sagen, dass sie sich wieder für die Entwicklung anti-infektiver Substanzen engagieren, weil sie eine ethische Verpflichtung dazu haben. Darin liegt eine gewisse Hoffnung, denn wir brauchen dringend neue Substanzen.

Wie gehen Sie derzeit mit Patienten um, die Infektionen mit vollkommen resistenten Erregern haben?

Krause: Wir versuchen, eine mikrobiologische Restwirksamkeit auszunutzen. Das heißt, man erhöht die Dosis und damit den Antibiotikaspiegel im Gewebe. Das bringt allerdings oft das Risiko einer Leber- und Nierentoxizität für den Patienten mit sich. Hier muss man als Mediziner abwägen. Das sind oft sehr schwierige Entscheidungen.

Wo sehen Sie mögliche Alternativen?

Krause: Im Moment müssen wir alte Substanzen nutzen, weil wir keine neuen haben. Ein Beispiel ist Collestin, das noch aus den 1950er-Jahren stammt. Somit gab es lange auch nur Literatur aus dieser Zeit, man wusste einfach sehr wenig über diese Substanz. Als Beispiel: Es gab unterschiedliche Dosisempfehlungen für Amerika und Europa. In Amerika wurde im Vergleich zu Europa die doppelte Dosis verwendet. Mittlerweile weiß man aber, dass die amerikanische die passendere ist und die europäische zu niedrig war.

Aber gibt es auch andere, neue Wege – an der Uni Graz erforscht man etwa einen Eiweißstoff aus der Muttermilch, der antibakteriell wirken soll.

Krause: Das sind interessante Ansatzpunkte, an denen hier geforscht wird. Es wäre wünschenswert, dass diese auch bald auf den Markt kommen. Sie sind im Moment aber meist noch sehr weit weg vom Patienten.

Sie befassen sich in Ihrer Forschung mit sogenannten multiresistenten gramnegativen Erregern, das sind besonders resistente und damit besonders gefährliche Bakterien. Was sind die Ziele der Forschung?

Krause: Wir untersuchen multiresistente gramnegative Erreger, die in der letzten Zeit ganz massiv zugenommen haben. Mit unserer Forschung wollen wir Strategien für präventive oder therapeutische Maßnahmen entwickeln. Wir wollen Risikofaktoren für solche multiresistenten Erreger – auch für grampositive wie etwa resistente Enterokokken – identifizieren. Ziel ist es, solche Patienten rechtzeitig finden und diagnostizieren zu können und dann eben passend zu therapieren.

Was können die Patienten selbst beitragen?

Krause: Die Erwartungshaltung der Patienten spielt hier eine Rolle. Eine virale Infektion macht nicht gleich ein Antibiotikum notwendig. Wenn dann aber doch ein Antibiotikum verschrieben wird, ist es wichtig, dass man dieses in der vorgegebenen Dosis und Dauer einnimmt.

Was bewirken Einnahmefehler? Wenn etwa ein Patient den Eindruck hat, es ginge ihm wieder gut, und er nimmt nichts mehr ein, was passiert dann?

Krause: Davon ist dringend abzuraten. Einerseits drohen Resistenzen, andererseits kann der Patient einen Rückfall erleiden. Die Keime sind zwar in der Keimzahl reduziert, aber eventuell noch nicht ganz weg. Wird das Antibiotikum abgesetzt, sinkt der Spiegel des Antibiotikums im Körper. Das Antibiotikum ist noch in geringer Dosis vorhanden, tötet den Keim aber nicht ab. Es kann sich eine Mutation entwickeln, der Keim wird resistent, wächst wieder und ist dann erneut da. Dann wirkt das Antibiotikum nicht mehr.

Gibt es für Kinder besondere Risken, die es zu beachten gilt?

Krause: Bei Kindern gilt wie bei den Erwachsenen auch, die Frage nach der Notwendigkeit einer antibiotischen Therapie kritisch zu stellen. Als Elternteil sollte man hier dem Arzt vertrauen und keinen zu großen Druck aufbauen, dass unbedingt ein Antibiotikum verschrieben werden soll. Wenn jemand etwa einen Schnupfen hat, braucht er ja nicht gleich ein Antibiotikum.

Steckbrief

Robert Krause
ist Professor für Infektiologie und Tropenmedizin an der Med-Uni Graz.

Er leitet die Infektiologie mit Infektionsambulanz und mikrobiologischem Labor an der Universitätsklinik für Innere Medizin sowie den Infektiologischen Konsiliardienst des Grazer Universitätsklinikums. Med-Uni Graz

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Medikamente
Gesundheit

Das Wettrennen gegen die Antibiotika-Resistenz

Einst wurden sie als Meilenstein der medizinischen Forschung gefeiert, heute sind immer mehr Antibiotika wirkungslos. Der Kampf gegen die Resistenzen ist voll im Gange. Noch gibt es keine alternativen Substanzen zu Antibiotika.
Gesundheit

WHO warnt: Antibiotika bald wirkungslos

Es gebe immer mehr Antibiotika-Resistenzen, stellt die Weltgesundheitsorganisation fest.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.