Ein echter Klimt, ein falscher van Gogh

Gustav Klimt Bildnis einer Dame mit lila Schal
Gustav Klimt Bildnis einer Dame mit lila SchalKHM
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Ein bisher nie ausgestelltes Klimt-Porträt ist ab Donnerstag im KHM zu sehen. Das Frühwerk wirft noch viele Fragen auf, so Experte Alfred Weidinger.

Alfred Weidinger, Vizedirektor des Belvedere, wird emotional: Diese unkritische Übernahme von Meldungen, bei denen es nur um den berühmten Namen zu gehen scheint, ärgert ihn einfach. So ging vorige Woche durch die internationalen Agenturen die Nachricht, dass spanische Finanzbeamte in einem Schließfach ein „seit rund 40Jahren als verschwunden geltendes Werk des niederländischen Malers Vincent van Gogh“ gefunden hätten. Es handle sich dabei um ein Gemälde aus der berühmten Zypressen-Serie, die van Gogh 1889 in der Nervenheilanstalt malte. Was heißen soll, dieses Bild könnte teuer werden – ein Gemälde dieser Serie wurde 1993 um 57 Millionen Dollar versteigert.

Zwei (namentlich ungenannte) Experten sollen laut der Zeitung „El Mundo“ die Echtheit des Überraschungsfundes bereits bestätigt haben. Die Leinwandrückseite trage noch dazu Stempel mehrerer angesehener Institutionen, u.a. jenen des Kunsthistorischen Instituts der Universität Wien aus dem Jahr 1974. Es ähnle stark einem Zypressen-Bild im Metropolitan Museum, ebenfalls 1889 gemalt.

Weidinger muss fast lachen: „Es ist eine der schrecklichsten Fälschungen, oder sagen wir besser Kopien, die ich je gesehen habe. Das muss ein Hobbymaler nach einem Kalenderblatt des Metropolitan-Originals gemalt haben.“ Das Schlimme daran aber sei, so Weidinger: „Zwischenzeitlich ist es schon so, dass solche Nachrichten völlig unwidersprochen bleiben“, auch von der Szene. Er wisse, dass eine Abbildung des Werks mehreren Experten, auch in Wien, geschickt worden sei – und niemand habe aufgeschrien. Die Stempel auf der Rückseite, auch der des Wiener Uni-Instituts, schrien „ja nach einem Fake“. Die beiden erwähnten Gutachten der Experten – „kann man kaufen.“ Der wesentliche Van-Gogh-Experte in Amsterdam sei nicht einmal angefragt worden, er habe mit ihm telefoniert, auch er sei entsetzt.

Fast jeden Tag Fälschungen.
Obwohl er einiges gewohnt sein müsste – gilt van Gogh doch als der meistgefälschte Künstler. Wenige Tage im Jahr nur, an denen kein vor Naivität oder Falschheit strotzender Mensch mit einem angeblich neu entdeckten Meisterwerk unter dem Arm das Amsterdamer Van-Gogh-Museum entert.

Auch Weidinger, einer der wesentlichen Klimt-Experten in Wien, wird pro Woche durchschnittlich zweimal mit angeblichen Werken des Jugendstil-Stars konfrontiert. Teils mit unglaublicher Penetranz, eines dieser Bilder wurde ihm bereits 19 Mal vorgelegt, erzählt er. Umso verständlicher seine Freude, ja Euphorie, steht er tatsächlich einmal vor einem seit Langem unter Verschluss gehaltenen Original. So passiert unlängst in der Restaurierwerkstatt des Kunsthistorischen Museums, wo eine unerwartete Erbschaft sorgfältig auf Vorderfrau gebracht wurde: Das „Porträt einer Dame mit lila Schal“ scheint zwar in drei Klimt-Werkverzeichnissen auf, aber nur als schlechte Schwarz-Weiß-Fotografie.

Man wusste zwar, wo es sich befand, so Weidinger, aber die Besitzerin war nicht leicht zugänglich. Es handelte sich um eine Erbin nach Georg Lasus, einem frühen, 1933 verstorbenen Klimt-Sammler, dessen Vermächtnis zum Teil auf Druck der Nazis verkauft werden musste. Das Belvedere restituierte 2001 zwei Klimt-Gemälde an die Erben.

Das Damenbildnis war in Familienbesitz verblieben, es galt als eines der ersten erhaltenen Gemälde Klimts und wird im Werkverzeichnis auf Anfang der 1880er-Jahre datiert. Die Restaurierung im KHM gibt jetzt Hinweise auf eine spätere Entstehung, um 1895. Der impressionistische Stil, die Blockform der Signatur, der goldene Streifen legen das nahe, so Guido Messling vom KHM.

Für Weidinger aber beginne jetzt erst die Forschung, vor allem die durch eine Röntgenuntersuchung sichtbar gewordene Unterzeichnung hat es ihm angetan. Diese wirft allerdings noch mehr Fragezeichen auf, ist sie doch stilistisch überhaupt nicht einzuordnen. Aber auch wer hier dargestellt ist, wer den Auftrag gab, und ob Klimt nach einem Foto malte, bleibt offen. Von 22.Mai bis 31. August darf man sich in der KHM-Gemäldegalerie mit diesen Fragen vor dem Original selbst quälen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2014)


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