Anti-Terror-Gipfel: Kriegserklärung an Boko Haram

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Während bei einem Treffen in Paris Strategien gegen die Terroristen ausgearbeitet wurden, setzten deren Kämpfer ihre Anschläge fort - diesmal in Kamerun.

Paris. „Wir sind hier, um Boko Haram den Krieg zu erklären.“ So kündigte der Präsident Kameruns, Paul Biya, den Beschluss eines Aktionsplan gegen die Terrororganisation Boko Haram an. Die radikal-islamische Gruppierung destabilisiert nicht nur den Norden Nigerias. Sie ist zu einer Gefahr für ganz Afrika geworden. Darin waren sich die Staatschefs fünf afrikanischer Länder – Nigeria, Kamerun, Niger, Benin und Tschad – einig. Sie hatten sich gemeinsam mit Vertretern der USA, der EU und Großbritanniens auf Einladung des französischen Präsidenten François Hollande am Wochenende in Paris zu einem Anti-Terror-Gipfel getroffen.

Beschlossen wurde die Verstärkung des Informationsaustauschs der Geheimdienste sowie die bessere Koordination von Aktionen afrikanischer Armeen. Außerdem sollen Satelliten und Drohnen zum Einsatz kommen, um Waffenverstecke der Terroristen aufzuspüren. Mit verschärften Grenzkontrollen soll der Austausch zwischen einzelnen Terrorgruppen unterbrochen werden.

Doch während man sich in Paris für Gegenaktionen rüstet, setzte Boko Haram den Terror fort, diesmal in Kamerun. Dort wurden bei einem Angriff auf eine chinesische Fabrik zwei Menschen getötet. Vor einem Monat hatten die Islamisten mehr als 200 Schülerinnen in Nordnigeria verschleppt. Trotz internationaler Hilfe wird die Suche nach den Schülerinnen immer schwieriger. Boko Haram habe die Mädchen vielleicht in mehrere Gruppen aufgeteilt, möglich sei auch, dass sie über die Grenze nach Kamerun verschleppt worden seien, sagen Sicherheitsexperten. Für die Freilassung der Mädchen, die Mitte April aus einer Schule in der Stadt Chibok im Nordosten Nigerias entführt worden waren, setzen sich weltweit Politiker und Promis ein: Zuletzt hat bei den Filmfestspielen in Cannes die Schauspielerin Salma Hayek auf dem roten Teppich auf das Schicksal der Schülerinnen aufmerksam gemacht.

Errichtung eines Gottesstaats

Von den Promi-Aufrufen unbeeindruckt setzt Boko Haram den Terror in Afrika fort: Boko Haram kämpft für einen steinzeitislamistischen Staat im mehrheitlich muslimischen Norden Nigerias. Seit dem Jahr 2009 verübt die Gruppe, deren Name so viel wie „Westliche Bildung ist verboten“ bedeutet, immer wieder Anschläge auf Polizei, Armee und Behörden, aber auch auf Kirchen, Schulen und Moscheen. Allein im laufenden Jahr wurden fast 2000 Menschen bei Angriffen getötet.

Zahlreiche weitere islamistische Terrorgruppen verbreiten auf dem Kontinent ebenfalls Angst und Schrecken. Besonders gefürchtet sind die somalische al-Shabaab-Miliz und al-Qaida im Islamischen Maghreb, die sich vor allem durch Entführungen und Lösegelderpressungen von Staatsbürgern aus dem Westen finanzieren.

Vernetzung mit anderen Zellen

Seit Jahren vermuten Experten, dass die Gruppen immer enger zusammenarbeiten. Nur so sei es ihnen gelungen, ihr Operationsgebiet in Afrika immer weiter auszubreiten und in der ganzen Sahelzone bis nach Somalia ein Klima der Instabilität zu schaffen.

Besonders schlimm betroffen sind Mali, Somalia und Nigeria. Was die drei Krisenstaaten gemeinsam haben, sind ethnische und religiöse Spannungen sowie die bittere Armut der Bevölkerung. Gleichzeitig sind alle drei Länder strategisch wichtig, was sie für die Islamisten zu einer reizvollen Zielscheibe macht: Mali gilt als wichtiges Transitland für den Drogenhandel aus Südamerika nach Europa. Somalia verfügt über einen direkten Zugang zum Golf von Aden und Indischen Ozean, während Nigeria wegen seiner Bodenschätze von Interesse ist.

Allerdings scheinen die einzelnen Terrorgruppen unterschiedliche Ziele zu verfolgen: Die Boko Haram will im Norden des Landes einen Gottesstaat auf Grundlage einer strengen Auslegung der Scharia errichten. Deshalb sind bis heute überwiegend Nigerianer Ziel der blutigen Anschläge. Al-Shabaab hat globalere Ambitionen: Der radikalste Teil der Gruppe will nicht nur einen streng islamistischen Staat am Horn von Afrika aufbauen, sondern eine Beteiligung der Gruppe an einem weltweiten Jihad. (ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2014)

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