Leute, die "Hör zu" oder "Pass auf" sagen

Bruckberger
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Im persönlichen Aversionsrepertoire lagern die unterschiedlichsten Verhaltensweisen anderer Menschen, die einen bei jeder Begegnung innerlich mit den Augen rollen lassen.

Und nein, das muss gar nichts mit Antipathie der betreffenden Person gegenüber zu tun haben. Es sind oft nur Kleinigkeiten des Gegenübers, die regelmäßig Nähte im Nervenkostüm auftrennen. Das kann zum Beispiel die Art sein, wie die Person in einem Gespräch einen für sie besonders wichtigen Teil ankündigt. „Hör zu!“ ist ein solches Ungetüm. Mitten im Gespräch, bei der vertieften Beschäftigung mit den Gedankengängen des anderen, unterstellt dieser Imperativ, dass man mit den Ohren eigentlich gerade ganz wo anders ist. So nicht, lieber Gesprächspartner! Und nein, „Pass auf“ ist keine brauchbare Alternative. Dahinter verbirgt sich lediglich die schulmeisterliche Figur des neunmalklugen Oberlehrers, der dem infantilen Nichtwisser einmal so richtig zeigen will, wer die Weisheit mit dem Löffel zu sich genommen hat.

Wer in einem Gespräch derart die Rolle des Alphakommunikators zu übernehmen trachtet, darf sich nicht wundern, wenn der Gesprächspartner – je nach Persönlichkeit – im Wettstreit um die Vorherrschaft das kommunikative Pfauenrad schlägt oder die kalte Schulter aus dem körpersprachlichen Umhang blitzen lässt. Lassen wir einmal den verbalen Schaukampf beiseite und widmen uns lieber dem zweiten Phänomen. Das manifestiert sich gerne in einer Geste, die regelmäßig auftritt, wenn eine Person gerade ein Gespräch zu dominieren beginnt – dass nämlich die andere ihre Fingernägel betrachtet. Die Hand nach innen zur lockeren Faust geballt, ein beiläufiger Blick auf die Nägel – ein kommunikatives Zeichen für Langeweile, Genervtheit oder auch eine Alternative, um dem Gesprächspartner nicht in die Augen sehen zu müssen. Aus dem Inneren kommt dann ein verächtliches: Hallo Baby, soll ich dir meine nonverbale Kommunikation zeigen? Tja, hätte das Gegenüber halt vorher nicht „Hör zu“ gesagt.

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2014)

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