Grubenunglück in Soma: Verfahren wegen fahrlässiger Tötung

Angehörige trauern um die verstorbenen Bergleute in Soma.
Angehörige trauern um die verstorbenen Bergleute in Soma.(c) REUTERS
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Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen fünf Beschuldigte. Die unter Druck geratene türkische Regierung kündigte bessere Sicherheitsvorkehrungen in Bergwerken an.

Nach dem folgenschwersten Grubenunglück in der Geschichte der Türkei hat die Staatsanwaltschaft Verfahren gegen fünf Beschuldigte wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Die türkische Nachrichtenagentur Dogan meldete am Montag, es handle sich um leitende Angestellte des Bergwerksbetriebes in der westtürkischen Bergarbeiterstadt Soma, unter ihnen der Generaldirektor.

Laut Dogan wurden Verfahren gegen den Generaldirektor von Soma Kömür, Akin Celik, sowie zwei Ingenieure und zwei Abteilungsleiter der Firma eingeleitet. Die Zeitung "Millyet" verwies unter Berufung auf einen ihr vorliegenden vorläufigen Untersuchungsbericht auf schwere Sicherheitsmängel, wie das Fehlen von Rauchmeldern und Decken aus Holz statt aus Metall.

Kohlenmonoxid-Vergiftung

Die fünf Beschuldigten gehören zu den am Sonntag festgenommenen 25 Verdächtigen. Sechs von ihnen wurden später wieder freigelassen. Die Übrigen wurden am Montag weiter verhört. Der leitende Staatsanwalt in Soma, Bekir Sahiner, sagte, eine durch Strom ausgelöste Explosion werde als Unglücksursache mittlerweile ausgeschlossen. In einem vorläufigen Bericht werde vermutet, dass heiße Kohle in Verbindung mit Luft in der Grube eine große Menge von Kohlenmonoxid freigesetzt habe. Die meisten unter Tage eingeschlossenen Kumpel starben an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung.

Das Kohlebergwerk in Soma, wo in der vergangenen Woche nach amtlichen Angaben 301 Kumpel ihr Leben verloren, blieb abgeriegelt. An den Zufahrtstraßen in die Stadt waren aus Furcht vor neuen Protesten gegen das Bergbauunternehmen Soma Kömür Isletmeleri und die Regierung Straßensperren eingerichtet. Demonstrationen waren verboten.

Vorwürfe gegen Erdogan

Am Samstag hatten die Behörden die Rettungsarbeiten für eingestellt erklärt. Am Freitag war die Polizei in Soma mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen gegen mehr als 10.000 Demonstranten vorgegangen. Sie machte dabei auch vor Angehörigen der Opfer nicht halt. Die Demonstranten machten den Grubenbetreiber und die konservativ-islamische Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wegen grober Fahrlässigkeit für die Tragödie mitverantwortlich.

In mehreren türkischen Städten fanden in den vergangenen Tagen ebenfalls Protestkundgebungen gegen die Privatisierung von Gruben, die zunehmende Beschäftigung von Leiharbeitern und die Verstöße gegen Arbeitsschutzbestimmungen statt. Die Polizei ging unter anderem in Ankara, Istanbul und Izmir mit großer Härte gegen die Demonstranten vor.

Am Samstag wurden in Soma mindestens 36 Menschen vorübergehend festgenommen, darunter acht Anwälte. Einige von ihnen, die Angehörige der Opfer beraten wollten, seien geschlagen und verletzt worden, teilte der Anwaltsverband CHD mit. Für Montag war erneut eine Demonstration in Ankara vorgesehen.

Regierung kündigt Sicherheitskontrollen an

Ein von der Zeitung "Sabah" zitierter Regierungssprecher erklärte, noch diese Woche werde die Regierung einen Plan für verbesserte Sicherheitskontrollen in den Gruben vorlegen. Der Zeitung zufolge könnte die Türkei auch die Konvention der Internationale Arbeitsorganisation (ILO) über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Bergbau ratifizieren.

Laut ILO verzeichnete die Türkei 2012 die höchste Zahl von Arbeitsunfällen in Europa und die dritthöchste weltweit. Nach der Katastrophe von Soma rückte das Land am Bosporus auf der Liste der Arbeitsunfälle mit Todesfolge auf Platz zwei vor.

(APA/AFP)

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