Cannes: Sex und Gier in der Traumfabrik

FRANCE CANNES FILM FESTIVAL 2014
FRANCE CANNES FILM FESTIVAL 2014(c) APA/EPA/CANNES FILM FESTIVAL / H (CANNES FILM FESTIVAL / HANDOUT)
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David Cronenbergs Hollywood-Satire „Maps to the Stars“ ist der erste Höhepunkt des Wettbewerbs. Bei der Pressekonferenz stellte sich Star Robert Pattinson anzüglichen Fragen.

Für einen kurzen Moment zögert „Twilight“-Star Robert Pattinson nach der Frage: „In David Cronenbergs letztem Film ,Cosmopolis‘ hatten Sie Sex mit Juliette Binoche in einer Limousine, in seinem neuen Film ,Maps to the Stars‘ haben Sie wieder Sex in einer Limousine, diesmal mit Julianne Moore. Was war besser?“

Pattinson wirft einen Seitenblick auf Moore, die bei der Pressekonferenz am Montag in Cannes neben ihm sitzt. „Wir sind in Frankreich“, sagt sie grinsend: „Pass also besser auf, was du sagst.“ Schließlich zieht sich Pattinson salomonisch aus der Affäre: „Es war beide Male eine wunderbare Erfahrung. Nur sehr viel geschwitzt haben wir dabei.“

Es herrscht sichtlich gute Laune bei der Pressekonferenz für „Maps to the Stars“: Cronenbergs Hollywood-Satire wurde bei der Pressevorführung am Vorabend stark beklatscht, Moore gilt für ihr Porträt einer neurotischen Schauspielerin als Preisfavoritin. „Ich finde alle meine Filme lustig“, sagt der einst durch revolutionäre Horrorfilme berühmt gewordene Kanadier Cronenberg. „Immer wieder sind Leute zu mir gekommen und haben gesagt: ,Sie sollten eine Komödie machen.‘ Meine Antwort war jedesmal: ,Ich habe noch nie etwas anderes gemacht!‘“

Seit seinem Historienstück „A Dangerous Method“ über Freud und Jung hat Cronenberg allerdings den komödiantischen Ton seiner Filme forciert, „Maps to the Stars“ beginnt mit einem Insider-Gag: Wo Pattinson in „Cosmopolis“ als Börsenmilliardär herumkutschiert wurde, spielt er diesmal den Chauffeur – einen von vielen Träumern am Rande der Traumfabrik, der sich mit seinem Job eine Karriere als Schauspieler und Drehbuchautor finanzieren will. (Er bekommt schließlich eine kleine Rolle als Außerirdischer in einer absurden Science-Fiction-Seifenoper.) Zu Beginn des Films holt er eine andere Träumerin ab, die nach Los Angeles gekommen ist: Mia Wasikowska spielt dieses eigenartige Mädchen, das wie eine Außenseiterin wirkt, aber in Wirklichkeit zu einer Hollywood-Familie heimkehrt, deren inzestuöse Abgründe jeder Beschreibung spotten.

„Egal, ob Hollywood oder Wall Street“

Überhaupt liegt das subversive Genie des Films darin, dass er als leichte Komödie daherkommt, um zum zutiefst perversen Porträt eines Milieus der existenziellen Abhängigkeiten und Ruhmsucht zu mutieren. „Finden Sie das Filmgeschäft so widerlich?“, fragt ein Journalist auf der Pressekonferenz. „Überhaupt nicht!“, antwortet Cronenberg lachend: „Der Film könnte genauso gut in Silicon Valley oder an der Wall Street spielen – überall, wo die Leute gierig und verzweifelt sind. Es geht mir nicht um Hollywood an sich.“ John Cusack, der eine Rolle als geschäftstüchtiger New-Age-Guru hat, pflichtet neben ihm bei: Es sei auch kein Schlüsselfilm über bestimmte Hollywood-Figuren (obwohl es viele Seitenhiebe gibt und Ex-„Star Wars“-Star Carrie Fisher sich selbst spielt), aber schon im Drehbuch habe er die treffsichere Beschreibung des Traumfabrik-Ökosystems aus Angst und Gier erkannt.

Das verdankt sich dem Autor Bruce Wagner, bekannt für Insider-Romane über Hollywood voller cleverer Anspielungen (Cusacks Figur heißt Stafford Weiss, lautmalerisch erkennt man dahinter den Horrorfilm-Titel „The Stepford Wives“). Cronenberg setzt das Milieu kühl und präzise in Szene, isoliert die Figuren voneinander – bis auf die Momente, in denen jemandem etwas angetan wird. Moore hält in ihrer furchtlosen Darstellung Monologe für ihre Assistentin vom Toilettensitz aus (und klagt über Verstopfung wegen der vielen Tabletten, die sie nimmt) und träumt davon, in einem Remake in jene Rolle zu schlüpfen, für die ihre verhasste Schauspielermutter einst Oscar-nominiert war: Alles Eigenleben ist längst dem Kult der Künstlichkeit und dem Spiel mit dem Image geopfert.

Zuletzt wird Pattinson, auf den draußen schreiende Fotografen warten, um eine Botschaft an seine japanischen Fans gebeten: „Sehen Sie sich ,Maps to the Stars‘ mehrfach an. Der Film wird jedesmal besser!“ Er ist jedenfalls der erste Höhepunkt des soliden Wettbewerbs, den sonst Entdeckungen in anderen Festivalsektionen überschatten: Frederick Wisemans Dokumentation „National Gallery“ über Kunstvermittlung im Museum und das Bildgedicht „Jauja“ vom Argentinier Lisandro Alsonso, der Viggo Mortensen als Conquistador durch atemberaubende Landschaften schickt – als hätte sich Werner Herzogs Aguirre in die malerischen Szenerien von Hollywood-Meister John Ford verirrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2014)

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