Armee verhängt Kriegsrecht in Thailand

A Thai soldier stands in front of the Army Club in Bangkok
A Thai soldier stands in front of the Army Club in Bangkok(c) REUTERS (� Athit Perawongmetha / Reuters)
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Nach monatelangen Protesten soll die Armee "Recht und Ordnung im Land wiederherstellen". Ein Putsch sei das aber nicht, versichert das Militär.

Es ist der Vorläufiger einer Krise, die sich seit Monaten in einem der beliebtesten Urlaubsländer aufgeschaukelt hat. In Thailand hat die Armee nach monatelangen Protesten am Dienstag den Ausnahmezustand verhängt. Ein Putsch sei das aber nicht, erklärten Militär und Regierung. "Wir sind besorgt, dass die Gewalt die Sicherheit des Landes insgesamt gefährden könnte", begründete Armeechef Prayuth Chan Ocha den Schritt. "Um Recht und Ordnung in Land wiederherzustellen, haben wir das Kriegsrecht verhängt."

Der amtierende Justizminister Chaikasem Nitisiri begrüßte den Schritt und sagte, die Regierung habe "noch immer die gesamte Macht, das Land zu führen". Auch Armeesprecher Winthai Suvari sagte: "Die Regierung arbeitet weiterhin normal."

Seit November protestieren Zehntausende Menschen gegen die Regierung, aber auch ihre Anhänger versammeln sich immer wieder zu Kundgebungen. An 7. Mai hatte das Verfassungsgericht Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra und mehrere ihrer Minister wegen Machtmissbrauchs des Amtes enthoben. Seither hat sich die Lage in dem bei Urlaubern beliebten Land verschärft.

(c) REUTERS (DAMIR SAGOLJ)

30 Tote seit November

Armeechef Prayuth mahnte zur Zurückhaltung: "Ich rufe alle Aktivistengruppen auf, ihre Aktivitäten einzustellen und mit uns zusammenzuarbeiten, um einen Weg aus der Krise zu finden." Er hatte vergangene Woche nach dem gewaltsamen Tod dreier Demonstranten erklärt, möglicherweise müsse das Militär eingesetzt werden, um für Ruhe zu sorgen. Fast 30 Menschen wurden seit Beginn der Proteste im November getötet. Die Armee, die in der Vergangenheit häufiger geputscht hat, forderte in einer im Fernsehen ausgestrahlten Erklärung Gegner und Anhänger der Regierung auf, keine Protestzüge zu veranstalten.

Doch der Anführer der sogenannten Rothemden, die die Regierung unterstützen, kündigte weitere Demonstrationen in Bangkok an. Sie würden solange dauern, bis das Land wieder zu demokratischen Grundsätzen zurückgekehrt sei, sie in eine Wahl mündeten, sagte Jatuporn Prompan. Das Kriegsrecht begrüßte er. "Es ist gut", sagte er Reuters.

Auch die Gegner der amtierenden Regierung, die sich aus Anhängern des früheren Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, Yinglucks Bruder, zusammensetzt, wollen ihre Proteste nicht beenden. "Wir werden heute zwar nicht marschieren", sagte Sathit Wongnongtoey, einer ihrer Anführer, zu Reuters. "Aber wir werden bleiben und protestieren, bis wir unser Ziel erreicht haben."

Thaksin selbst hofft, dass keine Seite "Menschenrechte verletzt und die Demokratie weiter zerstört", schreib aus dem Exil auf Twitter. Thaksin, der durch das Exil einer Inhaftierung wegen Korruption in Thailand entgehen will, äußert sich nur sehr selten zur Lage in seinem Land.

Dieser marokkanische Tourist lässt sich mit den Soldaten fotografieren, die bereitwillig ihr Fahrzeug zur Verfügung stellen.
Dieser marokkanische Tourist lässt sich mit den Soldaten fotografieren, die bereitwillig ihr Fahrzeug zur Verfügung stellen.(c) APA/EPA/RUNGROJ YONGRIT (RUNGROJ YONGRIT)

Pressefreiheit massiv beschränkt

Die Armee schaltete den Sendebetrieb von zehn Fernsehsendern ab. In der Anordnung hieß es zur Begründung, "um sicherzustellen, dass Nachrichten nicht verfälscht werden, was den Konflikt anheizen könnte." Unter den geschlossenen Sendern sind sowohl Blue Sky, der Kanal, der den Regierungsgegnern nahe steht, als auch ein Sprachrohr der Regierungsanhänger, der Rothemden.

Die Pressefreiheit wurde damit massiv eingeschränkt. Die Armee sei auf die Zusammenarbeit mit den Medien angewiesen, um die Bevölkerung zu Ruhe aufzurufen und ihr zu versichern, dass es sich nicht um einen Putsch handle, sagte ein General Reuters. "Wir haben den Notstand ausgerufen, es ist kein Putsch", sagte er. Die Lage sei instabil. "Sie bringen sich jeden Tag gegenseitig um."

Erst am Donnerstag hatten Demonstranten ein Treffen des amtierenden Regierungschefs Niwatthamrong Boonsongphaisan mit der Wahlkommission gestört und ihn zur Flucht gezwungen. Hunderte Protestierende waren auf ein Militärgelände im Norden Bangkoks vorgedrungen, wo der Ministerpräsident bemüht war, einen neuen Termin für die Parlamentswahl zu organisieren. Niwattamrong sah sich laut Teilnehmern des Treffens gezwungen, das Gelände zu verlassen. Einen Rücktritt schloss er am Montag aus.

Die Opposition sieht die abgesetzte Regierungschefin Yingluck als Marionette ihres Bruders Thaksin an. Dieser war 2006 vom Militär gestürzt worden und lebt im Exil, um einer Gefängnisstrafe wegen Amtsmissbrauchs zu entgehen. Hinter Yingluck und ihrem Bruder steht vor allem die arme Landbevölkerung. Die Opposition wird von der Mittelschicht Bangkoks und von Anhängern des Königshauses unterstützt.

Der Alltag geht in Bangkok trotz zahlreicher Militärcheckpoints weiter.
Der Alltag geht in Bangkok trotz zahlreicher Militärcheckpoints weiter.(c) APA/EPA/NARONG SANGNAK (NARONG SANGNAK)

Kriegsrecht in Thailand

Unter dem in Thailand verhängten Kriegsrecht erhält das Militär weitreichende Befugnisse. Es darf alle Mittel einsetzen, um Recht und Ordnung aufrecht zu halten und Aufstände zu unterbinden.

Das Militär kann unter anderem:
- die Presse zensieren. Es hat von diesem Recht innerhalb von Stunden Gebrauch gemacht. Zehn Fernsehsender wurden abgeschaltet.

- Durchsuchungenohne richterliche Genehmigung durchführen.

- Ausgangssperrenverhängen.

- Demonstrationen verbieten und mit Waffengewalt gegen Leute vorgehen, die dagegen verstoßen.

- Verdächtigeohne Haftbefehl festnehmen und sieben Tage ohne Anklage festhalten.

Im deutschen Sprachgebrauch betrifft der Begriff Kriegs- oder Kriegsvölkerrecht im engeren juristischen Sinne eigentlich Rechte im Krieg, also zwischen Staaten. Für Maßnahmen, die bei internen Konfliktsituationen verhängt werden, gilt streng genommen der Begriff "Ausnahmezustand".
In Thailand verhängt den Ausnahmezustandallerdings die Zivilregierung. Die neue Rechtslage hat aber das Militär angeordnet, ohne Konsultation mit den Zivilbehörden. Deshalb ist umgangssprachlichvon Kriegsrecht die Rede. Es wurde seit dem Ende der absoluten Monarchie 1932 mehr als ein Dutzend Mal verhängt.

(APA/Reuters)

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