Der Putsch, der nicht beim Namen genannt wird

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Durch ihre „militärische Intervention“ hat die thailändische Armee jegliche Hoffnungen auf eine Lösung der politischen Krise zunichtegemacht.

Seit Dienstag drei Uhr früh herrscht in Thailand wieder das Kriegsrecht. Im Zentrum der quirligen Finanzmetropole Bangkok patrouillieren Soldaten. Die Militärs haben TV- und Radiostationen unter ihre Kontrolle gebracht: um „für die nationale Sicherheit schädliche Nachrichten und Bilder zu vermeiden“.

An sich kein unbekanntes Szenario in der zweitgrößten Volkswirtschaft Südostasiens. Bereits elf Mal seit dem Ende der absoluten Monarchie 1932 hat die Armee interveniert – zuletzt 2006. Diesmal geben sich die Generäle aber vorsichtiger. Sie nennen den Coup nicht beim Namen. „Das ist kein Putsch“, betont Armeechef Prayuth. Es gehe „um Stabilität“. An der Macht bleibe „die Regierung“.

Doch welche Regierung? Das der Opposition nahestehende Verfassungsgericht hat vor zwei Wochen Premierministerin Yingluck Shinawatra und neun Minister „wegen Amtsmissbrauchs“ abgesetzt. Ein Übergangspremier wurde zwar ernannt, doch dieser hat eine höchstens kosmetische Funktion: Alle politischen Entscheidungen werden künftig die Generäle treffen. Das sieht das Kriegsrecht vor. Ein demokratisch agierendes Parlament gibt es ohnehin nicht mehr – das Unterhaus wurde im Dezember aufgelöst.

Durch die militärische Intervention ist die thailändische Demokratie nun nahezu vollständig zertrümmert. Und das dürfte Oppositionschef Suthep Thaugsuban freuen. Er hat ja bezeichnenderweise vor einigen Tagen schon „den finalen Showdown“ seines sechsmonatigen Protests prophezeit. Einen Militärputsch gegen den verhassten Thaksin-Clan hat der glühende Monarchist von Anfang an lautstark gefordert. Und auch mit General Paraytuh dürfte Suthep zufrieden sein. Immerhin hatte der als Hardliner geltende Armeechef eine führende Funktion bei der Entmachtung der Thaksin-Regierung 2006.

Überrumpelt wurden hingegen die regierungsnahen Demonstranten, die Rothemden. Bereits geschwächt durch die Absetzung ihrer Premierministerin, müssen sie nun eine weitere Entmachtung von oben hinnehmen. Derzeit haben sie wohl keine andere Alternative, als sich dem Machtwort der Generäle zu beugen. Die Frage ist nur, wie lange.

Denn tatsächlich hat die Armee kaum Spielraum, ein Ende des jahrelangen Konflikts zwischen Opposition und Regierungsanhänger zu forcieren: Sollten die Generäle nämlich eine eigene „Lösung“ der Krise vorschlagen – etwa durch die (verfassungswidrige) Ernennung einer Regierung –, ist ein Aufschrei der Rothemden programmiert. Was vermutlich eine entsprechende Reaktion der Soldaten auslösen würde. Damit droht ein Szenario, das Thailand an den Rand des Bürgerkriegs führen könnte.

Sollten die Generäle sich hingegen für die „weiche Lösung“ entscheiden – ein Zurück zu Demokratie und Wahlen –, ist der Konflikt nur aufgeschoben. Allen Umfragen zufolge würde die Thaksin-Partei erneut gewinnen. Und wieso sollten die oppositionellen Gelbhemden dann plötzlich ihren Feinden doch die Machtübernahme vergönnen?


Gelöst hat das Militär durch seinen martialischen Schritt nichts. Die faulen Wurzeln der Thai-Krise hat es auch nicht ausgerissen – im Gegenteil: Die Kluft innerhalb der Gesellschaft zwischen dem mehrheitlich Thaksin-freundlichen ländlichen, ärmeren Norden und der wohlhabenden, urbanen Mittelschicht in Bangkok und im Süden dürfte sich nun sogar vergrößern.

Sowohl der Thaksin-Clan als auch die Opposition haben zuletzt bewusst zur Polarisierung beigetragen, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Nach dem The-winner-takes-it-all-Prinzip ging es bei der Konfrontation nur darum, wer sich die politische und wirtschaftliche Macht unter den Nagel reißen würde. Daher fühlten sich beide Seiten durch die andere ständig unfair behandelt. Und dieses Gefühl des Unrechts dürfte sich durch das Einschreiten des Militärs, das der Opposition nahesteht, nun massiv verstärken.

Thailand befand sich auf einem – holprigen – Weg in Richtung Demokratie. Diese Reise dürfte vorerst gestoppt sein. Stattdessen bewegt sich das Land rasant auf den politischen Abgrund zu.

susanna.bastaroli@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2014)

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