Staatsbesuch: China lässt "Gasmann" Putin zappeln

Russland, China
Russland, China(c) Reuters (CARLOS BARRIA)
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Russlands Präsident gelang in Schanghai vorerst kein Durchbruch bei umfangreichem Gasliefervertrag.

Das Abendessen an Wladimir Putins erstem Tag in Schanghai sollte gestern, Dienstag, eigentlich schon der krönende Höhepunkt seines zweitägigen Aufenthalts beim großen, volksreichen und wirtschaftlich ebenso wie militärisch aufsteigenden Nachbarn China werden. Bis dahin hätten die seit nunmehr zwei Jahrzehnten andauernden Verhandlungen um einen Liefervertrag für russisches Gas in die Volksrepublik beendet sein sollen. Indes: Eine Einigung blieb am Dienstag aus. Chinas kommunistische Führung ließ den russischen Staatschef weiter zappeln – oder umgekehrt.

Wie schon in den vergangenen Jahren konnten sich die Regierungsdelegationen der beiden Großmächte vor allem beim Preis nicht einigen. „Am Preis muss noch gearbeitet werden“, bestätigte ein Kreml-Sprecher am späten Dienstagabend. Moskau besteht weiterhin darauf, dass der Tarif dem Niveau seiner Exporte nach Europa entspricht. Peking will das Gas aber zu sehr viel günstigeren Konditionen. Doch dieses Mal ist die Situation eine andere. Die chinesische Seite weiß nämlich: Putin steht derzeit unter erheblichem und ungewöhnlichem Druck.

Dabei war das Abkommen bisher vor allem ein Anliegen der rohstoffsüchtigen chinesischen Seite. Russland sollte über die nächsten 30 Jahre China täglich in etwa so viel Gas liefern, wie die Russen derzeit nach Deutschland liefern. Bis zu rund 38 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr sollte die Liefermenge bis 2020 betragen, dann sollte sie schrittweise auf das Doppelte aufgestockt werden.

Der US-Dollar spielt keine Rolle

Dieses Abkommen könnte überdies das Weltgefüge verändern: Denn abgerechnet werden soll direkt in Rubel beziehungsweise dem Yuan, der chinesischen Währung. Der amerikanische Dollar spielt bei dem Gigageschäft keine Rolle mehr.

Solange Russlands Gasgeschäfte mit Europa voll liefen, hatte Putin nur wenig Eile bei den Verhandlungen mit Peking an den Tag gelegt. Doch das hat sich im Zuge der Ukraine-Krise und der russischen Besetzung der Halbinsel Krim seit Jahresbeginn drastisch geändert. Die EU-Länder drohen Russland mit Handelssanktionen und haben erste Schritte dazu umgesetzt, Moskau drohte umgekehrt einfach mit einem Lieferstopp bei Erdgas. Der China-Besuch und das Abkommen, das auf einen Schlag große Teile des Absatzes in Europa kompensieren würde, kamen dem russischen Präsidenten daher äußerst gelegen. „China ist unser verlässlicher Freund“, hatte der „Rückeroberer der Krim“ vor dem Abflug nach Schanghai zu chinesischen Medien gesagt. Die Zusammenarbeit mit der Volksrepublik auszuweiten sei „zweifellos Russlands diplomatische Priorität“.

China will noch mehr

Doch so ganz, wie Putin es sich erhofft hatte, scheinen die Chinesen nicht mitzuspielen. Peking hat nämlich erkannt, unter welchem Druck der russische Präsident außenpolitisch derzeit steht, und versucht, den Verhandlungspreis für die Russen nach oben zu treiben. Zusätzlich zum Gasabkommen will China auch deutliche Investitionserleichterungen, die chinesischen Geschäftsleuten auf russischem Boden bisher verweigert wurden – zu groß ist nämlich die Angst der Russen vor einer wirtschaftlichen Dominanz der Chinesen.

Putin hat bereits deutliche Zugeständnisse gemacht. Gemeinsam mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping nahm er am ersten Tag an einer Zeremonie zur Unterzeichnung von 48 Wirtschaftsabkommen im Umfang von umgerechnet mehreren Milliarden Dollar teil. Bereits im kommenden Jahr soll Chinas gesamtes Handelsvolumen mit Russland 100 Milliarden Dollar erreichen, fünf Jahre später stehen bereits 200 Milliarden Dollar in Aussicht.

„China ist Gewinner der Ukraine-Krise“

„China mausert sich zum großen Gewinner der Krise“, analysiert Moritz Rudolf vom Berliner Mercator-Institut für China-Studien (Merics). Die chinesische Führung nutze Russlands Konflikt mit der Ukraine und betreibe eine „Schaukelpolitik“ zwischen Europa und Russland, um sich maximale Vorteile zu verschaffen.

Bei einem so umfangreichen Gaslieferabkommen will Putin indes sicher nicht so leicht klein beigeben; zumindest nicht am ersten Tag seiner Reise. Da ist ja noch ein zweiter Tag – mindestens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2014)

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