SPÖ wagt dritten Anlauf, um Diskriminierungen durch Private zu verbieten. Kritiker rügen Eingriff in die Vertragsfreiheit. ÖVP sieht „keinen Grund“ für Novelle.
Wien. 2010, 2012 und nun also 2014: Die SPÖ wagt den dritten Vorstoß, um ein „Levelling up“ beim Diskriminierungsschutz einzuführen. Rückenwind ortet die Partei durch den Sieg von Conchita Wurst beim Songcontest. „Da kann jetzt Bewegung hineinkommen“, meinte SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek zur Novelle. Gespräche mit der ÖVP laufen. Doch das Gesetz bleibt umstritten, schränkt es doch die Vertragsfreiheit ein.
Schon jetzt ist es verboten, bei Dienstleistungen oder Vermietungen jemanden wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit abzulehnen. Schadenersatz für die finanziellen Nachteile und Schmerzengeld für die erlittene Kränkung drohen. Ausgeweitet werden sollte der Diskriminierungsschutz ursprünglich auf die Religion, die Weltanschauung, das Alter, den Familienstand und die sexuelle Orientierung. Die Religion solle entgegen des älteren Entwurfs aber nun doch nicht in der Novelle vorkommen, sagte am Mittwoch ein Sprecher des zuständigen Sozialministers Rudolf Hundstorfer zur „Presse“, ohne dies noch näher zu begründen.
Nötig oder „völlig überzogen“?
Befürworter einer Novelle verweisen darauf, dass es einen weitgehenden Diskriminierungschutz schon im Arbeitsrecht gebe, dieser solle nun auch bei der Vergabe von Wohnungen oder Dienstleistungen vor Nachteilen schützen. Gegner orten einen Eingriff in die Privatautonomie: So könnte jemand, der nicht an Kommunisten vermieten will, verurteilt werden (Kommunismus gilt als Weltanschauung). Auch ein Wirt, der auf ältere Leute spezialisiert ist und keine jungen Gäste haben will, könnte Ärger bekommen.
Ein scharfer Kritiker des „Levelling up“ ist der emeritierte Sozialrechtsprofessor Theodor Tomandl. „Ich finde es unglaublich, was da passiert“, sagt er. Die Pläne seien „völlig überzogen“ und würden die Privatautonomie beeinträchtigen. „Das ist der massivste Eingriff in die Freiheit, die man sich vorstellen kann“, so Tomandl. Derartige Eingriffe solle es nur geben, wenn eine bestimmte Gruppe tatsächlich nicht Zugang zu bestimmten Gütern finden sollte. Aber allen Vermietern und Anbietern von Dienstleistungen vorzuschreiben, mit wem sie kontrahieren müssen, sei der falsche Weg. Zudem blieben nicht im Gesetz aufgezählte Diskriminierungen zulässig: Man könnte etwa weiterhin sagen, man will jemanden nicht als Mieter, weil er zu hässlich ist.
Das Sozialministerium betont hingegen stets, dass man laut dem Gesetz bei der Kundenauswahl nichts zu befürchten habe, solange man ein „rechtmäßiges Ziel“ befolgt. Was rechtmäßig ist, müsste im Streitfall das Gericht entscheiden.
Ob die Novelle durchgeht, hängt an der ÖVP. Frauenchefin Dorothea Schittenhelm lehnte den SPÖ-Vorstoß als „Anlassgesetzgebung“ ab. Maria Graff, ÖVP-Frauensprecherin in Wien-Innere-Stadt, rügte Schittenhelms „vorsintflutliches Weltbild“. Die Partei stellt sich hinter Schittenhelm: „Für uns gibt es keinen Grund, derzeit etwas zu ändern.“ Man wolle nicht durch eine Gesetzesnovelle „die Bürokratie aufblähen“, heißt es aus der Parteizentrale.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2014)