Balkanhochwasser: Zornpegel gegenüber den Politikern steigt

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In Serbien stehen der Präsident und mehrere Bürgermeister wegen ihres (Fehl-)Verhaltens angesichts der Hochwasser schwer unter Beschuss. Auch in Bosnien wird Kritik an schlappen Hilfsmaßnahmen laut.

Belgrad. Die Hochwasserlage auf dem Balkan hat sich auch am Donnerstag etwas entspannt: Dennoch werden für heute mancherorts, vor allem in Serbien, noch Pegelhöchststände erwartet. Gleichzeitig steigt in der Bevölkerung in Bosnien und Serbien der Zornpegel gegenüber Staat und Politik: wegen unzureichenden Hochwasserschutzes, möglicherweise desaströsen Fehlentscheidungen und zumindest teilweise schlechten Krisenmanagements.

In Serbien ergießt sich die Wut vor allem auf den Bürgermeister der am ärgsten getroffenen Stadt Obrenovac und den des nahen Belgrad. In Obrenovac wurden die meisten der 27 bestätigten Todesopfer in Serbien gezählt. Vorwurf: Bürgermeister Miroslav ?ukčović habe viel zu spät die Sirenen tönen lassen. Als er sich dazu durchrang, standen einige Stadtteile unter Wasser. Vojin Nestorović, Mitglied des Krisenstabes, habe vorigen Donnerstag, als der Fluss Kolubara Dämme durchbrochen hatte, den Alarm eingefordert. Der Stadtchef habe aber abgelehnt, angeblich, weil er keine Panik auslösen wollte, wird Nestorović vom Boulevardblatt „Kurir“ zitiert.

Überforderung allerorten


Ebenfalls in der Kritik ist Siniša Mali, der neue Bürgermeister Belgrads und Vertrauter von Premier Alexandar Vučić. Mali hat am Freitag die Bewohner Obrenovacs aufgefordert, daheim zu bleiben – er meinte hinterher, dass wohl viele auf der Flucht in der Flut stecken geblieben wären. Doch die Evakuierung lief zäh an, erst am Montag gab der Innenminister den Befehl zur völligen Räumung. Es wurde jedenfalls wertvolle Zeit verloren.

Premier Vučić wiederum hat zu Beginn des Hochwassers gesagt, man müsse die Stadt ?abac um jeden Preis verteidigen. Busse voll Freiwilliger fuhren darauf dorthin, doch war man vor Ort offenbar nicht nur mit der Flut, sondern auch mit der Hilfsbereitschaft überfordert und wusste zunächst nichts mit den Freiwilligen anzufangen, heißt es. Und als man sie schließlich zu Schanzarbeiten schickte, gab es dort zunächst weder Schaufeln noch Sandsäcke.

Der Präsident brannte Schnaps

Sein Fett bekam auch Präsident Tomislav Nikolić ab: Der verbrachte die erste Zeit auf seinem Landsitz und soll sich mit der Herstellung von Hochprozentigem beschäftigt haben: „Während Serbien ertrinkt, brennt Nikolić Schnaps“ titelte die Zeitung „Blic“. Andererseits war aber auch Kritik am Verteidigungsminister zu hören, gerade weil er sich in einem Rettungsboot hat filmen lassen, statt die Hilfsaktionen zu koordinieren.

In Bosnien und Herzegowina regt sich Unmut vor allem wegen unzureichender Hilfsmaßnahmen. So mussten die Menschen in der bosniakisch-kroatischen Föderation (einem der zwei Landesteile) tagelang auf Hilfsgüter warten. Ein Großteil kam nicht vom Staat, sondern von Privaten. Aussagen wie jene des Chefs des Zivilschutzes beruhigen die Gemüter auch nicht: Er hat gemeint, es sei nicht nötig, die staatlichen Reserven anzutasten, wenn ohnehin so viele Lebensmittel gespendet würden.

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