Wenn Goldmohn und Schimmelpilz "kooperieren"

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Grazer Forscher kombinierten erstmals zwei Biokatalysatorenzur Herstellung von Naturstoffen.

Auf den ersten Blick verbindet den kalifornischen Goldmohn, eine beliebte Zierpflanze, und den lästigen Schwarzschimmelpilz nur wenig. Beide enthalten jedoch Enzyme, also Eiweißstoffe, die relevant sind, um bestimmte Naturstoffe herzustellen. Grazer Forschern ist es nun erstmals gelungen, die beiden unterschiedlichen Enzyme aus Mohn und Schimmelpilz zu einer gemeinsamen Reaktion zu bringen. Die neu gewonnenen Produkte könnten beruhigend und schmerzstillend wirken. Ihre Erkenntnisse aus einem vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt veröffentlichten sie kürzlich in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie.

Wissenschaftler von Uni Graz und TU Graz arbeiteten mit Kollegen in Manchester zusammen, um die Enzyme zu einer „Kooperation“ zu bringen. Enzyme wirken in der Chemie als Katalysatoren, das heißt, sie lösen eine Reaktion aus oder beschleunigen sie. Werden Stoffe in einem chemischen Prozess umgewandelt, kann neben der gewünschten Struktur auch ein molekulares Spiegelbild entstehen – mit mitunter völlig anderen Eigenschaften.

„Damit der Stoff genau so wirkt wie beabsichtigt, ist vor allem für eine pharmazeutische Nutzung essenziell, dass sich nur die gewünschte Struktur bildet“, so Kroutil. Mit einem Enzym aus dem Schimmelpilz, der sogenannten Monoamin-Oxidase, gelang es den Forschern zunächst, die Ausgangsstoffe zielgerichtet in die gewünschte Form zu bringen. Zugleich konnten sie so vermeiden, dass die nicht nutzbare Spiegelbildhälfte des Ausgangsstoffs als Abfall anfällt.

Molekulare Arbeitsteilung. Anschließend setzten die Wissenschaftler das Enzym aus dem Goldmohn als „Werkzeug“ ein: Das sogenannte Berberin-Brücken-Enzym wandelte das Produkt vom Schimmelpilz-Enzym in die gewünschte chemische Verbindung um. „Die Bezeichnung des Enzyms ist ein Hinweis auf seine Funktion“, sagt Kroutil. „Es bildet sich eine Kohlenstoff-Kohlenstoff-Brücke und damit eine Verbindung zwischen zwei Teilen eines Moleküls. Mit „klassischen“ chemischen Mitteln würde sich eine solche Reaktion nicht durchführen lassen, so der Forscher. „Das ist faszinierend, denn das kann nur die Natur.“ Zudem würden biokatalytische Reaktionen großteils in Wasser funktionieren und seien damit auch besonders umweltfreundlich.

Kombination mit Potenzial. Die Forscher sehen in der Kombination mehrerer Biokatalysatoren großes Potenzial: „Mit der vorliegenden Arbeit haben wir ein völlig neues Reaktionssystem etabliert, das die Möglichkeiten im Labor deutlich erweitert.“ Zugleich ist es den Grazer Wissenschaftlern damit gelungen, neue Wirkstoffe herzustellen.

In Kooperation mit Kollegen des Max-Planck-Instituts in Dortmund testen die Forscher die neuen Substanzen nun auf ihre biologische Aktivität. Die Produkte könnten in der Pharmaindustrie zum Einsatz kommen: „Wir wissen, dass manche Substanzen schmerzstillende Wirkung haben und zur Muskelentspannung beitragen.“

Lexikon

Enzyme sind meist Proteine, also Eiweißstoffe. Sie setzen die Aktivierungsenergie herab, die überwunden werden muss, damit es zu einer Reaktion kommt, und wirken so als Katalysatoren.

Als Biokatalyse werden chemische Reaktionen bezeichnet, bei denen Enzyme als biologische Katalysatoren dienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2014)

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