Karas: "Ich werde mich nicht ändern"

Othmar Karas
Othmar Karas(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Othmar Karas, der Wahlsieger der Europawahl, sprach mit der "Presse" über sein Verhältnis zur ÖVP, seine Enttäuschung über Martin Schulz und seine Pläne für eine verbesserte Kommunikation mit den Bürgern.

Die Presse: Sie wurden 2004 und 2009 von Ihrer Partei, der ÖVP, nicht als Spitzenkandidat für die EU-Wahl aufgestellt. Parteikollegen haben Ihnen zweimal attestiert, kein Zugpferd zu sein. Sehen Sie sich nach dieser Europawahl rehabilitiert?

Othmar Karas: Ich bin 2009 von den Bürgerinnen und Bürgern durch deren Vorzugsstimmen zur Nummer eins gemacht worden. Diesmal freue ich mich darüber, dass ich die Wahl eindeutig gewinnen konnte. Das ist Freude, nicht Genugtuung.

Sind Sie also mit der ÖVP wieder versöhnt?

Ich werde mich nicht ändern. Ein Teil meines Erfolgs ist eine konsequente Haltung in europapolitischen Fragen. Es war eine Richtungswahl zwischen proeuropäischen Kräften, die gerne die EU verbessern wollen, und jenen, die mit der EU innenpolitisch protestieren wollen. Die proeuropäischen Kräfte haben in Österreich gewonnen. Erstmals ist es auch zu einer Nominierung eines Kommissionspräsidenten gekommen. Dieser Teil der Wahl ist in Österreich und der EU für Jean-Claude Juncker ausgegangen.

Die Europäische Volkspartei liegt mit ihrem Kandidaten Juncker zwar voran, aber die Fraktionen im Parlament sind noch nicht gebildet.

Durch den eindeutigen Abstand zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten ist die Sache klar.

Martin Schulz, der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, hat aber angekündigt, dass er dennoch versuchen wird, sich eine Mehrheit zu organisieren.

Diese Änderung der Haltung ist enttäuschend. Das ist ein Schlag ins Gesicht und eine Ignoranz gegenüber dem Wahlergebnis. Ich erwarte, dass sich auch der österreichische Bundeskanzler beim EU-Gipfel für Jean-Claude Juncker einsetzt.

Was wird geschehen, wenn sich die Staats- und Regierungschefs am heutigen Dienstag nicht auf Juncker als Kommissionspräsidenten einigen.

Dann haben wir eine Institutionenkrise.

Und das heißt?

Das Parlament lässt sich nicht pflanzen. Wir sind die Vertreter der Bürger und die haben Jean-Claude Juncker nominiert.

Sie verstehen sich mit Juncker sehr gut. Was wird geschehen, wenn er Sie als Kommissar haben möchte? Werden Sie dann in die Kommission wechseln?

Ich bin mit ihm seit Jahrzehnten befreundet. Aber der neue Kommissionspräsident wird sich nicht an einzelne Personen wenden, sondern an die Regierungen.

In zwei wichtigen EU-Ländern sind die Rechtsaußen-Parteien zur stärksten Kraft geworden. Was für Auswirkungen wird das haben?

Ich bin froh, dass in Österreich und der EU die proeuropäischen Kräfte eine Dreiviertelmehrheit haben. Dass heißt, der Populismus von ganz links und ganz rechts wird die europäische Politik nicht blockieren. Ohne das zu bagatellisieren, aber die Prognosen waren noch deutlich anders. Dennoch dürfen wir nicht zur Tagesordnung übergehen. Zum Teil waren es innenpolitische Gründe. In Großbritannien hat die Regierung nicht den Mut gehabt, einen proeuropäischen Kurs zu fahren, sondern sie hat nationale Kräfte gestärkt. Das war ein unaufrichtiger Umgang der Tories mit Europa. In Frankreich war es ein Desaster für Hollande. Die Schwäche seiner Regierung wird zur Schwäche Frankreichs in der Europäischen Union. Aber der Populismus ist auch eine Folge von Kommunikationsdefiziten.

Eine der größten Sorgen in der EU ist die Jugendarbeitslosigkeit. Wie kann sie in absehbarer Zeit gesenkt werden, ohne die Staatshaushalte zu belasten?

Wir haben in der Vergangenheit zu wenig gegen die Jugendarbeitslosigkeit getan. Wir haben dort die höchste Arbeitslosigkeit, wo auch die höchsten Schulden gemacht wurden und wo es die geringste Wettbewerbsfähigkeit gibt. Die Schulden fressen die Investitionen auf und müssen deshalb abgebaut werden. Die Wettbewerbsfähigkeit muss verbessert werden. Dann muss in Wachstum und Beschäftigung investiert werden. Und wir sollten eine europaweite duale Ausbildung wie in Österreich durchsetzen.

Sie haben im Wahlkampf viel vom Europa der Bürger gesprochen. Werden Sie in den nächsten fünf Jahren wieder in Ihre Arbeit in Brüssel und Straßburg abtauchen beziehungsweise wie wollen Sie diesen Kontakt zu den Bürgern halten?

Wir sind gewählt, um eine Europapolitik im Sinne der Bürger zu gestalten. Den Europaabgeordneten kann die Aufgabe der Information und Kommunikation nicht allein übertragen werden. Es ist eine Frage der Politik, Parteien und Medien, für eine Öffentlichkeit zu sorgen. Ich habe sicher in den letzten fünf Wochen mehr Öffentlichkeit gehabt als in den letzten fünf Jahren. Das kann aber nicht nur an mir liegen. Ich schlage vor, dass wir als ÖVP die Arbeit der Europaabgeordneten sichtbar machen. Und ich schlage vor, dass alle Schüler und Schülerinnen bis zu ihrem Schulabschluss die europäischen Institutionen kennenlernen müssen.

Aber was wollen Sie zur Sichtbarmachung Ihrer Arbeit tun?

Ich werde alle gewählten Europaabgeordneten dazu einladen, dass wir ein Programm zur Verstärkung der Kommunikation zwischen den Europaabgeordneten und der österreichischen Bevölkerung erarbeiten. Und das werden wir dann gemeinsam der Bundesregierung und den Parteien vorlegen. Mir ist wichtig, dass wir hier gemeinsam überparteilich vorgehen.

Werden Sie auch die FPÖ dazu einladen?

Ja, ich werde sie auch einladen.

ZUR PERSON

Othmar Karas ist amtierender Vizepräsident des Europaparlaments. Bei der aktuellen Europawahl wurde er erstmals als Spitzenkandidat der ÖVP aufgestellt. 2004 nominierte seine Partei die ehemalige Fernsehmoderatorin Ursula Stenzel auf Platz eins der Liste, 2009 den ehemaligen Innenminister Ernst Strasser.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

EU-Wahl

Wählerbefragung: Harald Vilimsky war kein Wahlmotiv

Die meisten EU-Gegner gingen gar nicht zur Wahl. Junge wählten vor allem Grüne, FPÖ und Neos, Ältere die Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP.
Johannes Hahn
EU-Wahl

EU-Kommissar: ÖVP-Granden für Hahn

Erwin Pröll und Fritz Neugebauer gehen davon aus, dass Johannes Hahn den Kommissarsjob bekommt. Parteichef Spindelegger hält sich noch bedeckt.
EU-Wahl

Verluste in Vorarlberg: ÖVP zittert vor Landtagswahl

Die Neos könnten in Vorarlberg gefährlich werden.
EU-Wahl

Wahlflop: Blaue Gefahr für Steirer-SPÖ

Eine Reform im Herbst ist fix. Ein Antreten von Voves ist offen.
Johannes Hahn
EU-Wahl

Nach EU-Wahl: Pröll für Hahn als Kommissar

Offiziell will sich die ÖVP noch nicht festlegen. Niederösterreichs Landeschef sagt aber öffentlich voraus, dass Hahn seinen Posten als Kommissar behält. Unterstützung erhält Hahn auch von der SPÖ.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.