Wurden die Reichen wirklich reicher? Ja, aber...

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THEMENBILD: �STERREICHISCHE NATIONALBANK(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Die „Financial Times“ hat im Bestseller von Thomas Piketty Fehler gefunden. Dieser verteidigt sich und greift dabei die eigenen Theorien an.

Ökonomie ist keine Wissenschaft, kritisieren Naturwissenschaftler oft. Und auch wenn Wirtschaftswissenschaftler nun aufschreien: Ein Kern Wahrheit ist darin enthalten. So gibt es in der Physik oder der Chemie nun einmal eindeutige Naturgesetze, die in der Ökonomie – die sich ja mit dem Verhalten von Menschen beschäftigt – nicht immer akkurat festzustellen sind. Darum sind selbst viele grundlegende Gedanken unter den Vertretern der verschiedenen ökonomischen Schulen seit Jahrzehnten heftig umstritten.

Nicht zuletzt deshalb gibt es unter Ökonomen einen Hang zur Nutzung möglichst vieler Zahlen, um ihre Thesen zu untermauern. Jüngstes Beispiel dafür ist der Bestseller von Thomas Piketty „Das Kapital im 21. Jahrhundert“, in dem dieser auf 700 Seiten darstellt, dass der Reichtum der Reichen schneller wachse als die gesamte Wirtschaft, wodurch ihr Anteil am Gesamtvermögen steige (siehe auch Seite 23).

Eine Aussage, die vor allem in den USA von Occupy-Wall-Street für tosenden Beifall gesorgt hat. Nicht zuletzt, weil Piketty auch eine Therapie für die von ihm gestellte Diagnose parat hält: Einkommensteuern von bis zu 80 Prozent und (Substanz-)Vermögenssteuern von bis zu zehn Prozent.

Nun hat sich die „Financial Times“ das Zahlenmaterial von Piketty einmal genauer angesehen – und ist dabei zu einem für Piketty unangenehmen Ergebnis gekommen: So habe dieser Fehler gemacht und mitunter sogar verfälschende Daten genommen. In einer Reihe von Beispielen legt die FT auf ihrer Homepage detailliert dar, wo Piketty ungenau geworden ist (dass er die Zahlen grundsätzlich aufbereiten musste, gesteht ihm die Zeitung natürlich zu).

Am problematischsten sind dabei die Zahlen über britische Vermögen. Hier griff Piketty auf Daten der Grundsteuer zurück, bei der die Statistiker ausdrücklich davor warnen, diese für Berechnungen über Vermögen oder die Vermögensungleichheit zu nutzen. In Summe werde das Theorem von Piketty nicht gestützt, so die FT zusammenfassend. Die Ungleichheit der Vermögen falle seit 1980 zwar nicht mehr, sie steige aber auch nicht.

Piketty antwortet darauf zwar, geht dabei aber nicht auf die genauen Vorwürfe ein. Er zitiert vielmehr eine ganz neue und viel genauere Studie aus den USA, wonach die Reichen doch reicher wurden. Diese sei aber erst nach seinem Buch publik geworden. Und wahrlich, die Studie zeigt, dass – wie in seinem Buch – die reichsten zehn Prozent und das reichste Prozent reicher wurden. Allerdings nur, wenn die reichsten 0,1 Prozent inkludiert sind (die mit Abstand höchsten Zuwächse gibt es sogar bei den reichsten 0,01 Prozent). Zieht man diese Superreichen ab, bleiben die Vermögen der „Normal-Reichen“ konstant.

Was sagt uns das? Die Vermögen der Milliardäre nehmen wirklich überdurchschnittlich zu, jene der gut verdienenden Anwälte oder mittelständischen Unternehmer jedoch nicht. Doch genau diese würden durch Steuern vor allem getroffen. Denn Milliardäre würden ihr Geld schnell außer Landes bringen, sofern sie das nicht längst getan haben. „Das glaube ich nicht“, antwortet Picketty auf diesen Einwand im Interview mit der „Welt“. Womit wir wieder beim Thema Ökonomie und Wissenschaft wären.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2014)

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