Eine qualifizierte Mehrheit ist für die Kandidatenkür benötigt.
Brüssel. Bei den Beratungen am Dienstag der Staats- und Regierungschefs über die Zukunft von Jean-Claude Juncker und Martin Schulz steht wenigstens eine Sache fest: die Spielregeln. Denn die Nominierung des Kandidaten für den Posten des Kommissionspräsidenten muss nicht einstimmig beschlossen werden, es genügt die sogenannte qualifizierte Mehrheit (255 von 345 Stimmengewichte, die je nach Größe eines Landes verteilt sind).
Damit ist gesichert, dass David Cameron, der weder Schulz noch Juncker an der EU-Spitze sehen möchte, das Prozedere nicht torpedieren kann, aber in der Praxis werden sich Camerons Kollegen nach Kräften bemühen, den britischen Premier nicht zusätzlich zu beschädigen. Nach dem Erdrutschsieg der EU-feindlichen UK Independence Party könnte Cameron unter Druck geraten, die Abstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der EU vorzuziehen, sollte sich London überrollt fühlen.
Ein ähnliches Problem hat François Hollande – der französische Präsident muss nach dem Triumph von Marine Le Pen Stärke demonstrieren, also auf die Kandidatenkür Einfluss nehmen. Für die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, die Junckers Spitzenkandidatur unterstützt hat, gilt es nun, einen Konsens mit Hollande zu finden. Hat sie Erfolg, wird die Mehrheit ihrer Kollegen wohl dem deutsch-französischen Beispiel folgen. Welchen politischen Preis Cameron für seine Zustimmung verlangen wird, muss sich erst weisen. Auf die Stimme von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) kann der Christdemokrat Juncker bereits zählen. (la)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2014)