Mandatsverfahren passt für Radfahrende noch weniger

APA/HELMUT FOHRINGER
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Der Vorschlag, das vereinfachte Strafverfahren auf Verkehrsunfälle zu beschränken, ist zu undifferenziert.

Richter Oliver Scheiber hat im Rechtspanorama vorgeschlagen, das vom Justizministerium vorgeschlagene Mandatsverfahren (mit Urteil ohne Hauptverhandlung) auf den Bereich von Verkehrsunfällen zu beschränken. Aus Sicht der Radfahrenden bedarf dieser Vorschlag einiger Anmerkungen.

Scheibers These lautete verkürzt:  Ein Gerichts-Verfahren ist dann notwendig, wenn der zivilrechtliche Ausgleich nicht ohnehin durch Versicherungen abgedeckt ist, wie dies im Verkehrsrecht der Fall sei. Positiv formuliert: Im Verkehrsrecht kann das Mandatsverfahren eingeführt werden, weil die Ausgleichswirkung durch Haftpflichtversicherungen abgedeckt wird.

Zehn Prozent mit dem Rad unterwegs

Hierzu darf ich anmerken, dass diese These natürlich nur für den Kraftfahrbereich gilt. Da aber zum Glück der Radfahranteil in Wien mehr als 10% beträgt, gilt dies für diese 10% Verkehrsteilnehmer nicht (oder nur dann wenn sie von einem Kraftfahrzeug niedergestoßen werden).

Das bedeutet, dass Scheibers Argumente für sämtliche zum Verkehrsrecht zählenden Konflikte Fußgänger - Radfahrer; Radfahrer - Radfahrer; sowie sämtliche Trendsportler wie Scooter-, Skateboard-Fahrer nicht gelten und gemäß seinem Vorschlag trotzdem mitbetroffen sind vom verkürzten Mandatsverfahren.

Fairness darf nicht von Bildung abhängen

Scheibers These lautete weiters, dass die Verkehrsteilnehmer nicht bildungsfern seien. Auch dies möchte ich zumindest kritisch hinterfragen. Ich gehe davon aus, dass am öffentlichen Verkehr im weiteren Sinne alle Bevölkerungsschichten teilnehmen und die Teilnahme am Kraftverkehr kein – zumindest kein taugliches – Kriterium für ein verkürztes Strafverfahren ist. Die Verfahrensgarantien eines fairen und mündlichen Verfahrens können nicht an Bildungsstandards gemessen werden.

Schon bislang kommt es zumeist gem. § 88 Abs. 2 Z 3 StGB zu keinem Strafverfahren und das Opfer erhält lediglich eine Verständigung von der Einstellung. Wer aber einmal unverschuldet durch einen Unfall aus dem Alltag gerissen wurde, hat selten Verständnis, warum das Opfer völlig ungestraft davonkommt (zivilrechtlich, weil die Versicherung deckt, und Strafrechtlich, weil eingestellt wird). Hier wird doch deutlich mit zweierlei Maß gemessen: So ist jeder Angriff auf ein Exekutivorgan aus generalpräventiven Gründen jedenfalls als „schwere Schuld“ einzustufen, hingegen jeder Verkehrsunfall diversionsfähig. Ich bitte, nicht falsch verstanden zu werden: Ich glaube nicht, dass die Verkehrsteilnehmer durch härtere Strafen diszipliniert werden sollten (oder könnten), ich rufe mir nur die derzeit gültigen Begründungen und Zwecke des Strafrechts in Erinnerung und messe Scheibers Vorschlag daran.

Strafzwecke werden verfehlt

Vergeltung: Gilt gemeinhin als überholt, aber warum dann überhaupt einsperren (freilich will Justizminister Brandstetter Haftstrafen vom Mandatsverfahren ausschließen)?
Generalprävention: Hier steht die im Verkehrsrecht leider oft irrationale Handlungsweise der Rechtsunterworfenen der Theorie  entgegen (warum sonst sollte es alkoholisierte Lenker geben, da die Taxiheimfahrt jedenfalls günstiger ist).
Lerneffekt: Strafrechtliche Normen sollen den Menschen lehren, was „richtig“ ist; dennoch haben sich die Menschen seit den zehn Geboten nur unmaßgeblich „gebessert“.
Vertrauenseffekt: Durch die Bestrafung wird das Vertrauen in die Rechtsordnung gestärkt, durch die Strafausschließungsgründe aber eben nicht; dem Opfer die „Genugtuung“ eines Strafverfahrens gegen den Schädiger zu nehmen ist das Gegenteil von Genugtuung.
Befriedungseffekt: Stellt Vertrauen in ausgleichende Gerechtigkeit her, dies wird durch eine Verschriftlichung des Verfahrens jedoch intransparenter.
Spezialprävention: Auch hier gehe ich davon aus, dass ein kontradiktorisches Gerichtsverfahren einen Beschuldigten tendenziell stärker beeindruckt als eine „anonyme“ Bestrafung.

Der Autor

Johannes Pepelnik ist Anwalt der IG Fahrrad.

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