Der Etikettenschwindel mit den süßen kleinen Schweinchen

Typisches idyllisches Landschaftsbild.
Typisches idyllisches Landschaftsbild.(c) Bilderbox
  • Drucken

Es gibt gute Gründe, in den ländlichen Raum zu investieren. Diese sollten aber offen ausgesprochen und nicht hinter idyllischen Bildern versteckt werden.

Grüne, saftige Wiesen, auf denen ein paar vereinzelte Kühe geruhsam vor sich hin grasen. Ein kleiner, aber fein herausgeputzter Bauernhof mit einem alten, roten Traktor vor dem Eingangstor. Die freundliche Bäuerin bringt gerade einen Korb mit frischem Brot und schmackhaften Äpfeln aus der Küche, während der hemdsärmelige Bauer den Mist der glücklichen Hühner wegräumt.

Es braucht gar nicht die übertriebene Pseudoidylle samt sprechendem Ferkel aus der Werbelinie einer heimischen Supermarktkette. Auch die offiziellen Stellen in Form von AMA oder Landwirtschaftsministerium nutzen so oft wie möglich das Bild der herzigen Kleinbauernfamilie, die in Lederhose und Dirndl die Alm noch mit der Sense mäht. Dort ist die Welt noch in Ordnung, soll so suggeriert werden. Dort wird noch ohne industrielle Tiermast, brasilianisches Soja oder – Gott behüte – gentechnisch veränderte Nutzpflanzen gesunde Nahrung produziert.
Mit der Realität hat dieses Bild nur im Entferntesten zu tun. Hier setzen auch die heimischen Landwirte schon längst auf große Maschinen, speziell auf Ertrag und Widerstandsfähigkeit gezüchtetes Saatgut (das geht auch ohne Gentechnik) und effizientes Mastfutter. Verständlicherweise, sind sie doch Unternehmer, die ihre Erträge so weit wie möglich steigern und dabei die Kosten so stark wie möglich senken sollten. Das ist keine „böse Profitgier“, sondern eine grundlegende Regel der Ökonomie.

Allerdings reicht diese Steigerung der Erträge und Senkung der Kosten bei vielen trotzdem nicht aus, um überhaupt in die Gewinnzone zu kommen. Hauptgrund dafür ist, dass die heimischen Landwirtschaften oft zu klein und daher zu teuer sind. In jeder anderen Branche hätte das dazu geführt, dass die Produktion in Österreich eben zurückgefahren wird. So wie hierzulande auch keine T-Shirts mehr genäht werden. Die Landwirtschaft ist jedoch anders: Sie wird staatlich gefördert, damit es weiterhin Fleisch, Brot und Eier aus Österreich gibt.
Dafür gibt es auch eine Reihe von mehr oder weniger guten Gründen: So ist es strategisch nicht falsch, wenn ein Land zumindest einen Großteil seines eigenen Nahrungsmittelbedarfs selbst decken kann. Dieser Grund wird zwar durch die EU zumindest innerhalb Europas zunehmend weniger wichtig, hat aber immer noch Berechtigung. Weiters geht es auch um den Erhalt der Kulturlandschaft. Vor allem in touristisch genutzten Gebieten ein gern genutztes Argument, das nicht völlig von der Hand zu weisen ist.

Zudem dürften bei einem Stopp der Förderungen die Preise von jenen Produkten steigen, die nicht so leicht in großem Stil aus dem Ausland zu ersetzen wären – also Frischmilch oder Frischfleisch. Das tägliche Schnitzel könnte wieder zu einem Produkt werden, das sich nicht mehr jeder leisten kann. Und zu guter Letzt hätte dies deutliche Auswirkungen auf das Leben im ländlichen Raum. Wenn die – dann ehemaligen – Bauern zum Arbeiten in die Städte pendeln müssen, werden die Dörfer zu reinen Schlafstätten. Institutionen wie die Freiwillige Feuerwehr würden leiden, da untertags eben niemand mehr da wäre, um zu löschen. Langfristig würden viele Dörfer zuerst überaltern und schlussendlich entvölkert werden.

Nun gibt es bei vielen dieser Gründe auch gute Gegenargumente: Ist es wirklich so schlimm, wenn ein entlegenes Tal wieder vom Wald in Beschlag genommen wird? Wäre es bei Fleisch nicht sogar besser, würden die Konsumenten den ungeförderten Preis im Supermarkt spüren, sodass die Verschwendung zurückginge. Könnte dies nicht sogar dafür sorgen, dass die Tierhaltung wieder besser würde? Und müssen wirklich alle Gemeinden erhalten bleiben, nur weil sie irgendwann einmal gegründet wurden?

Über all dies sollte man in einer Gesellschaft offen diskutieren. Derzeit wird diese Diskussion aber europaweit verweigert und das Bild der freundlichen Dirndl-und-Lederhosen-Familie (in anderen Ländern eben mit der dortigen Landestracht) vorgeschoben, die es angeblich zu verteidigen gilt. Das haben sich die Zahler der Förderungen nicht verdient. Und die Bauern ebenso wenig.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Bauernbund-Chef Auer ist unglücklich über das romantische Image der Bauern.
Österreich

Bauernbund-Chef: "Die Bauern haben nichts zu verstecken"

Bauernbund-Präsident Jakob Auer verteidigt im "Presse"-Interview die Agrarsubventionen, auch für Stiftungen und die Kirche. Und macht seinem Ärger darüber Luft, dass viele am Agrarbudget mitnaschen, alle aber nur über die Bauern schimpfen.
International

Der Bauer als Erfinder: Neuseeland lebt ganz ohne Subventionen

Der Inselstaat hat den Wandel vom Wohlfahrtsparadies zum modernen, effizienten Agrarland vollzogen.
Österreich

Bauernsterben: Jeden Tag machen sechs Betriebe dicht

Im Vorjahr waren es nur mehr 167.500 Betriebe, um fast ein Drittel weniger als 1995. Dafür werden die verbleibenden Höfe größer.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.