Doppelpass: Außenministerium bestätigt Problem

BMI
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Nach dem „Presse“-Bericht über illegale Doppelstaatsbürgerschaften bestätigt das Außenministerium, dass es darüber regelmäßig Gespräche mit der Türkei gibt.

Die Sicherheitskontrolle mit Metalldetektor ist passiert, die Menschenschlange führt in das Untergeschoß des türkischen Generalkonsulats in der Hietzinger Hauptstraße 29 im 13. Bezirk. Dort sitzen wie jeden Tag rund 100 Menschen und warten, dass ihre Nummer aufgerufen wird und man sich um ihr Anliegen kümmert.

„Worum geht es?“, fragt ein Konsulatsmitarbeiter bei der Nummernvergabe. „Staatsbürgerschaft“, antwortet Hüseyin Yilmaz (Name geändert). Yilmaz ist türkischer Staatsbürger und will die österreichische erwerben. „Dafür müssen Sie einen Antrag stellen und die türkische ablegen“, erklärt ihm der Sachbearbeiter. „Behalten kann ich die türkische nicht?“, fragt Yilmaz. „Nein, das ist in Österreich illegal. Aber Sie können nach dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft wiederkommen und die türkische zurückholen. Das geht. Wenn Sie erwischt werden, bekommen Sie allerdings Probleme. Österreich erlaubt dieses Vorgehen nicht.“ Wie zehntausende andere Türken hat Yilmaz vor, das Risiko einzugehen. Und wird bald Doppelstaatsbürger sein.

"Sind Sie sicher?"

Rund eine Stunde später steht Bülent Dogan (Name geändert) am selben Schalter. Der 40-Jährige wurde vor fast 20 Jahren eingebürgert und holte sich die türkische Staatsbürgerschaft zurück – auf Anraten seiner Familie. „Wir waren uns damals nicht ganz sicher, ob wir nicht irgendwann in die Türkei zurückkehren“, erzählt er. „Daher dachten alle, es ist besser, die türkische Staatsbürgerschaft zu behalten.“ Mittlerweile ist ihm aber seine Situation zu gefährlich und er will die türkische ablegen, um sich eine sogenannte „Blaue Karte“ ausstellen zu lassen. Damit hätte er in der Türkei fast dieselben Rechte wie ein türkischer Staatsbürger (aber kein Wahlrecht). „Sind Sie sicher, dass Sie die türkische Staatsbürgerschaft aufgeben wollen?“, fragt ihn der Bedienstete. „Wir vom Konsulat raten nämlich davon ab, da Sie dadurch auf einige Rechte verzichten würden. Aber es ist Ihre Entscheidung.“ Aber Dogan ist sich sicher.
Situationen wie diese sind – „Die Presse“ berichtete – keine Einzelfälle.

Auch das Außenministerium bestätigt: „Ja, das Problem ist uns bekannt“. Und weil es sich nicht um Einzelfälle handle, würde das auch bei Treffen mit dem Botschafter und bei Besuchen in der Türkei regelmäßig angesprochen, so ein Sprecher des Ministeriums:  „Wir weisen dabei darauf hin, dass der Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft illegal ist.“ Auch bei der österreichischen Botschaft in Ankara prüfe man, wenn ein türkischstämmiger Österreicher wegen Dokumenten vorstellig werde, ob er auch türkischer Staatsbürger sei.

Schätzungen zufolge haben mehrere zehntausend Österreicher illegalerweise die türkische Staatsbürgerschaft. Ein Sprecher der Innenministerin bestätigt zwar das Problem, hält das Ausmaß aber für viel geringer. Allerdings, sagt er, gebe es „naturgemäß“ keine Statistik. Diese fehlt auch bezüglich der Verfahren zum Verlust der Staatsbürgerschaft (z. B. in Folge des Wiedererwerbs der alten). Nur für Wien liegt von Experten eine Schätzung vor: Demnach gibt es in Wien etwa 1000 derartige Verfahren, ein Viertel betrifft den Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft. Die MA 35 bestätigt die Zahlen jedoch nicht, da die Daten nicht derart ausgewertet würden.

"Behörden müssen allen Fällen nachgehen"

In einer ersten Reaktion auf den „Presse“-Bericht forderte der oberösterreichische FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner die Praxis illegaler Doppelstaatsbürgerschaften zu beenden. „Unsere Behörden müssen diesen Fällen nachgehen und diejenigen, die sich die Rosinen aus dem österreichischen und dem türkischen Kuchen gleichzeitig herauspicken wollen, ausforschen.“

In der türkischen Community selbst ist das Phänomen seit Langem bekannt, wie auch Efgani Dönmez, Bundesrat der Grünen, der „Presse“ bestätigt: „Das ist nichts Neues, auch nicht für die österreichischen Beamten – es wird nur stillschweigend geduldet.“ Als Grund vermutet er, dass Österreich die „engen wirtschaftlichen Beziehungen mit der Türkei“ nicht gefährden wolle. Dönmez selbst kritisiert am Konsulat, dass türkische Männer, die österreichische Staatsbürger werden wollen, die „Freigabe“ vonseiten der Türkei nicht bekämen, wenn sie den Präsenzdienst noch nicht geleistet oder alternativ dafür einen gewissen Betrag gezahlt hätten.

Regeln lockern?

Er setzt sich für eine Lockerung bei den Doppelpass-Regelungen ein. Denn weder für die Integration noch den Export der türkischen Innenpolitik, der „ohnehin durch Kulturvereine und NGOs passiert“, spiele der Pass eine Rolle. Dass der derzeitige Zustand nicht befriedigend ist, stellt auch SPÖ-Nationalratsabgeordnete Nurten Yilmaz fest. „Wenn die Verfassung sagt, dass es nicht rechtens ist, bedarf das einer Klärung.“ Wobei sie für die Ermöglichung von Doppelstaatsbürgerschaften eintritt – immerhin gebe es eine zunehmende Transnationalität. Doch dazu müsse man darüber reden – was die Behörden offenbar nicht tun. Vielen Menschen, glaubt Yilmaz, sei derzeit gar nicht bewusst, dass sie etwas Illegales tun.

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