Frauenfrage, Männerantwort

Subtil hinterhältig: Monika Helfers und Ingrid Puganiggs frauenbewegter Briefroman zweier Freundinnen.

Zwei Jugendfreundinnen, die sich vor Langem aus den Augen verloren hatten, beginnen einander E-Mails zu schreiben. Freilich pflegen die beiden gesetzten Damen einen eher herkömmlichen Briefstil, Einsprengsel wie das wiederholte „Ist nicht mein Ding“ scheinen ein wenig verunglückt hineingeraten.

Die beiden Autorinnen könnten verschiedener nicht sein. Monika Helfer, eine erfolgreiche, produktive Schreiberin, und Ingrid Puganigg, die 1981 mit „Fasnacht“ aufhorchen ließ und seit ihrem Roman „Hochzeit“ 1992 literarisch verstummt ist. Wie immer die Kooperation ausgesehen haben mag, von den Poststücken her lässt sich ein Befund festmachen. Die mit „I, Hannover, Ernst-August-Platz“ bezeichneten lesen sich spannender und lassen eine gewichtigere Person vermuten. Diese ist zynisch, illusionslos und scharfzüngig, aber nie flapsig, und sie hat das klarere Profil ihrer Rolle als alternde Frau. „M, Wien, Am Graben“ hingegen ist leicht überdreht, dabei sentimental und Zeitgeistfallen zugetan, was für gedoppeltes Unglück sorgt. Wer den Jugendlichkeitskult für sich als Vorgabe akzeptiert, wird irgendwann eine lächerliche Figur. Da helfen noch so viele aufgenähte Borten, Pelzteilchen und Federn am Mantel nichts. Auch Individualität lässt sich damit nicht in den grauen Alltag zwingen, wie ihr die Freundin zu kommunizieren versucht.

Außerdem kommt es unweigerlich zu einem Faktenclash zwischen den Sozialrollen Liebevolle Oma, die „M“ niemand abnimmt, und Berufsjugendliche auf Partnersuche.Ob es ihren Heinrich, den fürsorglichen und schwerreichen, also idealen alten Herrn, nun gibt oder nicht, ist fast unwichtig, und dass „I“ im Gegenzug einen Jakob erfindet, hat nur den therapeutischen Grund, der Freundin einen Spiegel der Erkenntnis über „Spinnereien im Altweibersommer“ vorzuhalten. „Du bist Terroristin auf dem Papier, und ich binSpießerin in der Wirklichkeit“, schreibt M durchaus selbstkritisch.

Schwarzer, wie Schwarzgeld

Interessant ist vor allem die geschickte Inszenierung, wie die beiden „lieben Freundinnen“ einander auf allen Ebenen fortwährend gezielt und oft mit subtiler Hinterhältigkeit verfehlen. Nicht nur das Treffen bei der Pestsäule am Wiener Graben wird so ritualhaft beschworen wie vertagt. Auch die Bruchstücke aus ihrem Leben und ihrem Alltag, die sie einander wie latent explosive Bälle zuwerfen, werden oft nicht oder zeitverzögert und mit einem überraschenden Dreh zurückgespielt. Selbst die gemeinsamen Kindheitserinnerungen bestehen aus falschen Zuschreibungen und lassen sich nicht mehr synchronisieren.

Das eigentlich Erschreckende dieser Doppelconference steht in „M“s Schriftstücken. Das ultimative Ziel bleibt der sichere Ehehafen mit einem dicken Konto und einer schützenden Männerachsel; auf eine „Gelegenheit“ in diesem Sinn werden die beiden „angehenden Greisinnen“, „zugemüllt von Erinnerungen“, wohl noch lange warten. Als Resümee einer zu Eigenverantwortung aufgebrochenen Frauengeneration ist die Botschaft so ernüchternd wie die Frage, womit Alice Schwarzer, Galionsfigur der Frauenbewegung, die auch mit einem moralischen Anspruch antrat, ihre Schwarzgeldkonten gefüllt hat. Beides gehört vielleicht enger zusammen, als die Autorinnen es beim Verfassen ihres Briefromans im Auge hatten. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2014)

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