Hausgeschichten: Palais Rasumofsky

Die Neugestaltung des Palais gilt als Vorzeigeprojekt für zeitgemäße Architektur im Spannungsfeld des Denkmalschutzes. Zu sehen auch bei der Biennale.

Es ist wohl das, was man einen repräsentativen Wohnsitz nennt: eine Nutzfläche von insgesamt knapp 10.000 Quadratmetern, im Erdgeschoß eine private Kunstgalerie, angrenzend Kuppel- und Festsaal, im ausgebauten Dach des Gartentrakts die zukünftigen Wohnräumlichkeiten mit Blick auf die hauseigene Parkanlage.

Vor rund sieben Jahren hegte der jetzige Besitzer des Palais Rasumofsky den Wunsch einer Neugestaltung dieses bedeutenden Empire-Gebäudes, gelegen zwischen Rasumofsky- und Geusaugasse im dritten Wiener Bezirk – mit der Vorgabe gesteigerter Funktionalität. „Die neue Dachkonstruktion bietet alle Möglichkeiten des Modern Living“, sagt Johannes Baar-Baarenfels, Architekt des Projekts. Raumhohe Verglasungen, Schiebetüren, das Penthouse umgeben von Terrassen, „eine Ausführung, die mit ihrer Generosität den heutigen Vorstellungen entspricht“. Das bestätigen eine Einladung zur Biennale nach Venedig und eine Auszeichnung beim World Architecture Festival in Singapur in der Kategorie „Old and New“.

Neu entflammte Leidenschaft

Altes und Neues, ein aktuelles Thema in der Architektur, mit dem in den Augen von Baar-Baarenfels meist nicht recht geschickt umgegangen wird. Durch das Imitieren des Ursprünglichen täte man einem Gebäude oft unrecht. „Das ist, als würde man die Asche anbeten und nicht die Flamme der Leidenschaft, durch die es damals entstanden ist, zurückbringen.“

Besagte Flamme zeigt sich im Palais Rasumofsky in der fast fließenden Betontreppe zwischen Wohnbereich und Parterre, im gläsernen Liftschacht, in den Aluminiumlamellen auf dem Dach. Diese hypermoderne Anmutung sei aber alles andere als nur eine „werbetaugliche Gebärde“, versichert Baar-Baarenfels, und schildert detailliert, welche arbeits- und materialminimierenden Überlegungen hinter der radikal schlichten Umsetzung stehen. „Es gibt hier einiges, was in dieser Weise noch nie gebaut wurde. Das in einem denkmalgeschützten Umfeld machen zu können, ist natürlich außergewöhnlich.“ Und schwierig. Drei Jahre dauerten die Verhandlungen mit dem Denkmalamt, bevor Hand an den historischen Bau gelegt werden durfte.

Denn das Palais hat, wie für historische Gebäude üblich, eine lange Geschichte, ausgehend vom Jahr 1806, als der belgische Architekt Louis Montoyer das Palais im Auftrag des russischen Diplomaten Fürst Andrei Kirillowitsch Rasumofsky erbaute. Letzterer betätigte sich auch als Kunstsammler und Musikmäzen, unterstützte etwa einen gewissen Ludwig van Beethoven, der ihm prompt die „Rasumowsky-Quartette“ widmete. Acht Jahre nach Errichtung brannten Teile des Palais ab und mussten neu erbaut werden. Nach Rasumofskys Tod wechselte das Haus mehrmals den Besitzer und beherbergte Untermieter wie die k. u. k. Geologische Reichsanstalt, später Geologische Bundesanstalt. Die schweren Schäden, die während des Zweiten Weltkriegs entstanden, wurden nur provisorisch repariert. Ein gut gemeintes Flickwerk, das aber so gar nicht dem Purismus von Besitzer und Architekt entsprach. „Das Historische, Denkmalgeschützte wurde minutiös nach den Richtlinien renoviert. Das, was nicht Originalsubstanz war, wurde abgetragen und der Rest mit heutigen Technologien versehen. Wir halten das für den richtigen Weg.“ Und dieser führt direttissimo zur Biennale in den Palazzo Bembo in Venedig. Der Pavillonbesucher soll sofort in die architektonische Geisteshaltung eintauchen, bevor er sich mithilfe von Plänen, Modellen und QR-Codes den planerischen Feinheiten des neuen Palais Rasumofsky widmet, betont der Architekt.

Raumgreifende Inszenierung

Die Projektdokumentation in einer Art raumgreifender Alu-Wanne in einem venezianischen Palazzo – vielleicht die bestmögliche Inszenierung eines modernen Historienbaus. Eines der Stücke, das Lieblingsdetail des Architekten, wird sogar in Originalgröße ausgestellt: ein Element der nach außen hin sichtbaren Stahl-Haupttragkonstruktion. Eigentlich das Gegenteil von Dekor, aber trotzdem, wie die Betonplatten und Glasfronten, „so konsequent, dass daraus ästhetische Qualität generiert wird“. Dass das Palais nicht zuletzt deswegen Teil einer Ausstellung ist, hätte den kunstsinnigen Fürsten Rasumofsky sicher gefreut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2014)

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