EuGH: Rückschlag für AUA-Sanierung

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Rechtsstreit. Das mit Spannung erwartete Plädoyer des Generalanwalts stärkt Betriebsrat und Gewerkschaft den Rücken: Der teure Bord-Kollektivvertrag wirke trotz Kündigung nach.

Wien/Luxemburg. Der finanzielle Absturz der AUA stand kurz bevor - da öffnete Jaan Albrecht, erst seit wenigen Monaten neuer Chef der Airline, Anfang 2012 den Rettungsfallschirm: Nach dem Scheitern von Verhandlungen über einen neuen kostengünstigeren Kollektivvertrag (KV) für das fliegende Personal kündigte er den alten KV und zog trotz heftigen Widerstands von Betriebsrat und Gewerkschaft den Betriebsübergang auf die Regionaltochter Tyrolean durch. Jetzt droht der gesamte Sanierungsplan der AUA zu platzen, der 260 Mio. Euro jährlich bringen soll.

Denn der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat am Dienstag in seinem mit Spannung erwarteten Schlussantrag befunden, dass der aufgekündigte Bord-KV nachwirke. Und zwar so lange, bis ein neuer KV abgeschlossen ist, wie Generalanwalt Cruz Villalon betont. Die Verhandlungen dazu wurden jedoch von der AUA-Führung am vergangenen Freitag abgebrochen.
Da die EuGH-Richter in vier von fünf Fällen dem Generalanwalt folgen, dürfte das für Herbst erwartete Urteil gleich ausfallen. Dann ist wieder der OGH am Wort, aber auch dieser dürfte sich den europäischen Richtern anschließen.

Villalon stützt sein Plädoyer auf das österreichische Arbeitsverfassungsgesetz, wonach Kollektivverträge nachwirken. Die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen schlössen auch die Bedingungen ein, die durch eine der Kündigung des Kollektivvertrags vorausgegangene innerstaatliche Rechtsvorschrift aufrechterhalten würden.

„In allen Punkten bestärkt"

Während sich AUA-Bordbetriebsrat Karl Minhard durch den Schlussantrag „in allen Punkten" bestärkt sieht, liegen beim Management die Nerven blank. „Wir werden unseren Handlungsspielraum neu bewerten und über Alternativen beraten", sagte AUA-Sprecher Peter Thier in einer ersten Reaktion. Das letzte Wort habe der OGH. Es stehe daher noch nicht fest, in welcher Form der alte Bord-KV nachwirke. Außerdem müsse geklärt werden, was mit dem Tyrolean-KV passiere, den die Gewerkschaft (in Reaktion auf das Management) ebenfalls 2012 aufgekündigt hat.

Auf die Frage, ob man bei den Maßnahmen nicht zu blauäugig vorgegangen sei, meinte Thier, man habe alle Schritte gleich mehrfach rechtlich prüfen lassen.
Der AUA-Führung, die am Dienstag unmittelbar nach Bekanntwerden des EuGH-Spruchs eine Vorstandssitzung einberufen hat, droht im Streit mit der Belegschaft die zweite empfindliche Niederlage. Denn das Arbeits- und Sozialgericht hat im Vorjahr in erster Instanz den Betriebsübergang für nicht rechtens erklärt. Das daraufhin befasste Oberlandesgericht (OLG) beschloss, die EuGH-Entscheidung abwarten.

Der alte Bord-KV gilt laut Minhard noch für rund 2000 AUA-Beschäftigte - 550 Piloten und 1500 Flugbegleiter. Er sieht für Piloten Privilegien wie Abfertigungen bis zu 39 Monatsgehälter vor. Rund 250 Piloten haben Anspruch auf die leistungsorientierte Betriebspension. Generell liegen die Gehälter um gut 20 Prozent über jenen der Tyrolean.

Gehälter nachzahlen?

Zu den möglichen Folgen einer Niederlage im Rechtsstreit will man im Management noch nicht Stellung beziehen. Klar ist, dass die ganze Sanierung gefährdet und - wie Albrecht mehrfach betonte - die AUA in einer äußerst prekären Lage wäre. Albrecht selbst, dessen Vertrag bis November 2015 läuft, ist dadurch unter Druck.

Im Extremfall müsste die AUA den Betriebsübergang rückabwickeln und die seit dem Betriebsübergang eingefrorenen Gehälter den Piloten und Flugbegleitern nachzahlen. Allein für die 117 Piloten und 217 Flugbegleiter, die im Sommer 2012 von ihrem Austrittsrecht Gebrauch machten, weil sie den Betriebsübergang nicht akzeptierten, musste die AUA 55 Mio. Euro auf den Tisch legen.
Ob und wann die Verhandlungen zu einem neuen Bord-KV, der die alten Querelen ein für alle Mal beenden würde, wieder in Gang kommen, ist offen. Bordbetriebsrat und Gewerkschaft Vida geben sich aus der Position der Stärke versöhnlich: „Es ist weder Zeit zu jubeln noch um den Kopf in den Sand zu stecken", meinten Minhard und Vida-Chef Gottfried Winkler in einer gemeinsamen Aussendung. Es gelte vielmehr die Zeit bis zum EuGH-Urteil zu nutzen und sofort wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren, appellierten sie. Auch das Management will Gespräche, allerdings nicht auf Basis des alten KVs.

("Die Presse", Printausgabe vom 4.6.2014)

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