Italien: Venedigs Bürgermeister wegen Korruption in Haft

Giorgio Orsoni
Giorgio Orsoni(C) Città di Venezia
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Giorgio Orsoni und 34 weitere Funktionäre sollen sich im Zusammenhang mit dem Deichprojekt Mose illegal bereichert haben. Es geht um Millionen Euro, die von Firmen abgezweigt und für Bestechung benutzt worden sein sollen.

Venedig. Wenige Wochen nach der Expo in Mailand wird ein zweites gigantisches Bauprojekt in Italien von Korruptionsvorwürfen erschüttert: Mose, das 5,5 Milliarden Euro teure System beweglicher Deiche, das Venedig vor Hochwasser und weiterem Niedergang schützen soll. Am Mittwoch Morgen nahmen Polizisten 35 Politiker, Firmenvertreter und Steuerberater fest. Der prominenteste unter allen: Venedigs Bürgermeister Giorgio Orsoni.

Die Staatsanwaltschaft will auch gegen den früheren Regionalgouverneur Giancarlo Galan vorgehen. Er hatte 2003 den Grundstein für Mose gelegt. Den Festgenommenen sowie mehr als 100 weiteren Personen werden Korruption, Erpressung, Amtsmissbrauch und Geldwäsche vorgeworfen.

Erste Verhaftungen hatte es bereits im Juli 2013 gegeben; seither nahmen die Ermittler das Finanzgebaren des Baukonsortiums Venezia Nuova (CVN) unter die Lupe. Dabei fielen ihnen falsche und/oder überhöhte Rechnungen im Wert von 15 Millionen Euro in die Hände. Den so illegal aus Steuergeldern kassierten Betrag hätten drei Firmen auf schwarzen Konten in San Marino und der Schweiz versteckt; „ein Großteil dieser Gelder“, so der leitende Staatsanwalt Luigi Delpino, sei dann dazu verwendet worden, sich bei regionalen oder nationalen Politikern Gefälligkeiten zu erkaufen: die Bevorzugung bei weiteren öffentlichen Aufträgen beispielsweise.

Schwarzgeld für Wahlkampf

Dem 2010 gewählten Orsoni (67), einem Anwalt, werfen die Ermittler vor, seinen Wahlkampf auf diese Art finanziert zu haben; für Regionalgouverneur Galan soll unter anderem die Renovierung seines Hauses herausgesprungen sein.

Mose – die italienische Abkürzung für „experimentelle elektromechanische Bauteile“ – spielt an den Führer der Juden an, der das Wasser des Roten Meeres teilte. Die venezianische Lösung besteht in der Hauptsache aus 78 wassergefüllten Schleusentoren, die in den drei Eingängen zur venezianischen Lagune liegen. Bei Hochwasser von mehr als 110 Zentimeter werden sie mit Luft gefüllt und klappen dabei hoch. Sie sollen dann das historische Zentrum von Venedig vor „Acqua alta“ bis zu drei Metern Höhe verschonen.

Das erste Tor wurde im Oktober 2013 erfolgreich getestet; derzeit ist Mose zu 80 Prozent fertig, einsatzbereit soll es ab 2016 sein.

Das Projekt, das etwa 4000 Personen Arbeit verschafft, war seit Beginn umstritten. Gegner sprechen von einem Sieg der Baulobby über die Natur: Die beweglichen Dämme, sagen sie, zerstörten das prekäre ökologische Gleichgewicht in den flachen Gewässern. Die Befürworter haben einen anderen Aspekt der Natur auf ihrer Seite: die mit dem Klimawandel verbundene Zunahme der Hochwasser-Tage. Gab es beispielsweise zwischen 1900 und 1909 nur zwei Fälle dieser Art, so waren es zwischen 2000 und 2009 mehr als fünfzig. (pk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2014)

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