„Politisch korrekt“ – Schimpfwort und Kampfbegriff der Rechten

Was aus einer anfangs neutralen Sprache zum Schutz von Minderheiten wurde: Heute leben Politiker und Journalisten von provokanten Verstößen dagegen.

Es sollte, so befand jüngst ein Mandatar des Teams Stronach, weniger „politisch korrekt“ zugehen. Den Namen muss man sich nicht merken, auch wenn der Mann bisher nur mit „politisch unkorrekten“ Aussagen aufgefallen ist. Es ist nämlich eine beliebte Methode, mit vermeintlich politisch unkorrekten Sprüchen Aufmerksamkeit zu erringen.

Nichts leichter als das: Ich nehme jedes beliebige Thema her, suche die politisch unkorrekte Variante und lanciere sie in der Öffentlichkeit. Ich muss diese Meinung gar nicht wirklich vertreten, das Wettern gegen das politisch Korrekte, ergo gegen den links-grünen Komplex, wie es immer heißt, genügt schon für die erwünschte Aufregung und Publizität. Politiker tun es, und etliche Journalisten leben ganz gut davon und damit.

Es ficht offenbar niemanden an, dass der Begriff ursprünglich etwas ganz anderes meinte als seine heutige Verwendung suggeriert, dass es also zu einer bewussten Verfälschung der anfänglichen Bedeutung gekommen ist. So wurde aus einem historisch neutralen Begriff ein Schimpfwort, ein Diffamierungsvokabel, ein Kampfbegriff gegen den liberalen Teil einer Gesellschaft.

Der Begriff selbst stammt aus der Zeit der Bürgerrechtsbewegung in den USA und wollte durch die Verwendung einer neutralen Sprache jede Abwertung einer Minderheit verhindern. Politisch korrekt bedeutete, „durch Ausdrücke und Handlungen zu vermeiden, Gruppen von Menschen zu kränken oder zu beleidigen“.

Irgendwann zu Beginn der 1990er-Jahre haben dann Konservative in den USA den politischen Wert der Verstöße gegen das politisch Korrekte erkannt – und bei jeder Zurecht- und Zurückweisung „Zensur“ geschrien. Man werde doch wohl noch sagen dürfen, was andere denken, man verteidige doch nur traditionelle Werte etc. So wurde aus der Anti-Diskriminierung eine verbale Keule, mit der man auf den politischen Gegner einschlagen konnte.

Das war auch ungefähr die Zeit, in der ein Jörg Haider in Österreich mit dieser Methode Furore machte. Heute ist sie fast schon Mainstream in jenen rechten Kreisen, wenn diese glauben, mit öffentlicher Aufmerksamkeit unterversorgt zu sein. Sie werden doch noch sagen dürfen, was sie wollen? Ja, schon, aber wenn jemand dagegenhält, erregen sie sich über das angebliche Denk- und Sprechverbot.

Für den Stronach-Mandatar, dessen Namen man sich nicht merken muss, legt sich „die politische Korrektheit wie Mehltau übers Land“. Darunter sei eben nicht alles so in Ordnung, wie die politisch Korrekten glauben machen wollen. Auf die Idee, dass er und seine Gesinnungsfreunde vielleicht einfach Unsinn reden, kommt er gar nicht. Somit wird dieser Unsinn dann zum „grundsätzlichen Problem in einer Demokratie“ hochstilisiert.

Ginge es nämlich wirklich nur um Rede- und Meinungsfreiheit, so könnte sich niemand mit dem Widerstand gegen das politisch Korrekte rühmen, und der Begriff als solcher verlöre seine Tauglichkeit als verbaler Vorschlaghammer. Dann nämlich müssten auch die angeblichen Werteverteidiger zugeben, dass die freie Meinungsäußerung eben auch den politischen Gegnern zuzugestehen ist. Es wäre ein ideologisches Nullsummenspiel, und man wäre um einen Schmähungsbegriff ärmer.

Politiker – und man sollte hinzufügen: auch Journalisten – im rechten Spektrum wähnten sich prinzipiell im alleinigen Besitz der Wahrheit, meinte einmal vor vielen Jahren der Politologe Fritz Plasser bei einer Recherche über die Rigidität rechter Politiker in Österreich und in Europa. Es wäre höchst an der Zeit, das Spiel zu durchschauen und provozierende Sager inhaltlich zu diskutieren – ohne das übliche Aufheulen über politisch Unkorrektes.

Damit würde man der Demokratie wirklich einen Dienst erweisen. Denn der ursprüngliche Sinn des Begriffs ist wohl sogar in Österreich heute politischer Konsens: keine Diskriminierung von Minderheiten! Und wenn nicht, muss darüber geredet werden.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2014)

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