Der Phaeton des Grafen Harrach: Ein Oldtimer der Weltgeschichte

Doppelphaeton der Type 28/32 PS
Doppelphaeton der Type 28/32 PS(C) HGM
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Franz Ferdinand borgte sich das Gräf-&-Stift-Luxusauto für Sarajevo aus.

Am 15. Dezember 1910 lieferte die Wiener Automobilfirma Gräf & Stift dem Grafen Franz Harrach sein neuestes „Spielzeug“ aus. Ein Auto vom Feinsten: Ein Doppelphaeton der Type 28/32 PS. Das Fahrzeug kostete „inklusive Bereifung und Werkzeug“ 15.500 Kronen (grob umgerechnet etwa 40.000 Euro). In dem Preis nicht enthalten war die Karosserie. Denn der spezielle Aufbau wurde dem Kunden überlassen. Graf Harrach entschied sich für die Karosseriefirma Czerny. Es kamen also nochmals etwa 3000 Kronen dazu. Das Auto erhielt das amtliche Kennzeichen „A III-118“. „A“: Das stand für Wien.

Auch Jörg Haider fuhr einen Phaeton

Wer konnte ahnen, welch Hauptrolle dieses Automobil in der europäischen Geschichte schon bald spielen würde? Vorläufig erfreute sich Graf Harrach als Mitglied des „k.k. Österr. Freiwilligen Automobil-Korps“ an dem Luxusfahrzeug. Der Doppelphaeton war mit einem Vierzylinder-Motor mit einem Hubraum von 5880 Kubikzentimetern ausgestattet und lieferte eine Leistung von 32 PS bei einer Drehzahl von 1400 Umdrehungen pro Minute. Das Luft-Benzin-Gemisch wurde durch einen von Gräf & Stift entwickelten Drosselschieber-Vergaser aufbereitet. Für die Zündung war eine Bosch-Magnetzündung eingebaut. Die Beleuchtung erfolgte durch Karbid-Scheinwerfer der Firma Zeiss, die über einen Karbid-Gasentwickler, der in einer Holzkiste am Trittbrett untergebracht war, mit brennbarem Gas versorgt wurden.

Im Juni 1914 ließ sich der Graf mit dem neuen Auto zu den Manövern nach Bosnien chauffieren. Dort stellte er das Auto dem Erzherzog Franz Ferdinand zur Verfügung. Bei einem Tachometerstand von 8500 Kilometern ereignete sich das Attentat. Auch das Schicksal des Automobils war damit besiegelt. Es wurde seither nie wieder benutzt. Im Heeresgeschichtlichen Museum kann man es ganz aus der Nähe betrachten.

Ledertapezierung, alles vom Feinsten

Die Frontansicht des Unglücksautos war ganz charakteristisch, der Kühler war in Mercedes-Lizenz nachgebaut. Der Fahrgastraum ist mit feinster Lederpolsterung ausgestattet und bietet bei Verwendung der Klappsessel bis zu fünf Personen Platz. Die lederne Tapezierung der Türen ist mit Kartentaschen ausgeführt. Der Chauffeur saß, wie in Österreich bis 1938 vorgeschrieben, auf der rechten Seite. Er konnte seinen Platz übrigens nur über eine Tür auf der linken Seite erreichen. Auf der rechten Seite befindet sich eine durchgehende Wand, wo sowohl Handbremse als auch Gangschaltung angebracht sind. Sie lassen, wie auch das Reserverad, keinen Platz für eine Tür.

Die Standarte Seiner k.u.k. Hoheit

Auch die Standarte mit dem Doppeladler ist nicht nachträglich fürs Museum an das Auto montiert. Sie ist original, wie auf den zeitgenössischen Fotos vom Attentat zu sehen ist. Wie auch auf Schiffen üblich, zeigte die Fahne am Fahrzeug, welches Mitglied der kaiserlichen Familie hier befördert wird. Auf der Standarte im HGM findet sich sogar noch der Schriftzug „ERZ STANDARTE KL 11/2“ („Kleid“ ist die Größenangabe bei Fahnen).

Am Holzkranz des Vierspeichen-Lenkrads sieht man einen kleinen Hebel. Der öffnet ein Ventil am Reibradkompressor und lässt Druckluft in die Hupe strömen. Ganz unten, knapp über den Pedalen, sind die nötigsten Instrumente angebracht. Und zwar wirklich nur das Allernotwendigste: Ein Tachometer (die Skala zeigte bis 100 km/h) und eine Öldruckanzeige. Früher war daneben auch noch eine ganz normale Uhr angebracht. Die fehlt. Dafür ist noch die Plakette mit dem Hl. Christophorus zu sehen, Schutzpatron der Automobilisten ...

Fünf Fußpedale

Der Chauffeur muss ein Könner seines Faches gewesen sein. Denn er fand gleich fünf Fußpedale vor. Rechts das Gaspedal, daneben zwei Bremspedale (für die Kardan- und die Hinterradbremse), das Kupplungspedal – und ganz links ein Pedal zur Betätigung der Überlandklappe am Auspuff, das sogenannte Kracherl. Man liebte offensichtlich schon damals einen speziellen Sound.

Mit einem Seilzug konnte man hinten eine eiserne Stange ausfahren, die beim Anfahren auf steilen Straßen das Zurückrollen beim Schalten/Kuppeln verhindern sollte. Alles war damals komplizierter. Bremsen, auskuppeln, Rückwärtsgang einlegen: Dazu musste man ein paar Sekunden stehen.

So geschehen am 28. Juni 1914.


M. Christian Ortner, Thomas Ilming
Das Auto von Sarajevo
Der geschichtsträchtigste Oldtimer der Welt
Edition Winkler-Hermaden, 126 S., 24,95 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2014)

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