Auf der Jagd nach den Schätzen der Pharaonen

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Seit der Revolution 2011 plündern bewaffnete Banden systematisch ägyptische Ausgrabungsstätten. Die Archäologin Monica Hanna will sie stoppen.

Monica Hanna seufzt. Es geht schon wieder los. Gerade hat sie einen anonymen Anruf erhalten, dass Plünderer in einer Ausgrabungsstätte nahe der Kharga-Oase unterwegs sind. Das bedeutet: Sie wird wieder kein freies Wochenende haben. Stattdessen wird sie sich morgen früh ins Auto setzen und von Kairo aus 600 Kilometer in den Süden fahren, in die Wüste, um die Plünderung zu dokumentieren. Oder um die Räuber zu stoppen, falls sie noch da sind. „Einer muss es ja tun.“

Dabei sieht die 31-jährige Ägypterin nicht aus wie jemand, der sich bewaffneten Banden in den Weg stellt. Ihre Fingernägel sind perfekt manikürt, sie trägt eine Designerhandtasche und ein rosa Shirt mit Jackett darüber. Normalerweise unterrichtet sie Archäologie an der American University in Kairo. Doch seit eineinhalb Jahren hat Monica Hanna noch diesen unbezahlten und gefährlichen Nebenjob: Grabräuber aufhalten.

Ägypten ist derzeit ein Paradies für Plünderer. Es gibt tausende Ausgrabungsstätten, von denen viele nur unzulänglich bewacht sind. Auch zu Mubaraks Zeiten haben bewaffnete Banden Grabstätten geplündert, aber seit der Revolution ist das Geschäft mit ägyptischen Artefakten förmlich explodiert. „Militär und Polizei haben andere Probleme“, sagt Hanna, „deshalb drängen mafiose Banden in das Sicherheitsvakuum.“


Beschossen und verjagt. Das erste Mal ist die Archäologin im November 2012 mit Plünderern in Berührung gekommen. Im Auftrag der Humboldt-Universität in Berlin hat sie damals in Luxor geforscht. Ein Bekannter erzählte ihr von Plünderungen in Dahshur, einem altägyptischen Pyramiden- und Gräberfeld 40 Kilometer südlich von Kairo. Hanna wollte sehen, was dort vor sich geht und fuhr hin. Als sie die Grabstätte erreichte, schossen zwei bewaffnete Männer auf ihr Auto. „Nicht schießen“, brüllte sie damals und stieg aus. Als die Räuber sahen, dass es sich um eine Frau handelte, stellten sie das Feuer ein, entschuldigten sich – und verjagten sie dann. Das Einschussloch an der Seitentür ihres Nissans zeugt noch heute von dem Vorfall.

Hanna erinnert sich, wie schockiert sie vom Anblick der Grabstätte war. „Die Plünderer hatten scheinbar wahllos Löcher in den Boden gegraben“, sagt sie, „es sah aus wie Schweizer Käse.“ In dem Moment sei ihr klar geworden, dass sie etwas tun müsse. „Ich konnte nicht zusehen, wie diese Verbrecher systematisch das kulturelle Erbe meines Landes zerstören.“ Sie gab ihre Stelle an der Humboldt-Universität auf und suchte sich einen Job in Kairo. Seitdem hat Hanna über 30 Ausgrabungsstätten besucht, Fotos von den Plünderungen geschossen und Berichte über ihre Arbeit geschrieben.


Statuen, Vasen, Sarkophage. Laut Hanna arbeiten die Banden hoch professionell: Sie fahren Jeeps mit Allradantrieb, haben gute Navigationsgeräte, Waffen und Werkzeuge. Außerdem beschäftigen sie internationale Experten, um den Wert der Artefakte zu bestimmen. Was sie finden – Statuen, Vasen, Töpferwaren, Sarkophage – verkaufen sie auf dem Schwarzmarkt. Ein Sarkophag, sagt Hanna, bringt auf dem Schwarzmarkt bis zu einer halben Million Dollar ein.

Das ägyptische Antiquitäten-Ministerium tut indes wenig, um das illegale Geschäft zu unterbinden. Bisher ist es der Polizei nicht gelungen, auch nur eine der großen Banden festzunehmen. „Die Inspektoren des Ministeriums sind machtlos“, sagt Hanna, „sie werden von der Mafia bedroht und von Politikern, die nicht wollen, dass jemand auf das Problem aufmerksam macht.“ Typisch ägyptisch sei das, sagt Hanna verärgert. Wenn das Land mit einer Sache überfordert ist, schweige man das Problem lieber tot, als es konstruktiv anzugehen.

Deshalb hat Hanna nun ein informelles Netzwerk von rund 500 Personen aufgebaut: Menschen aus Dörfern, Akademiker und Forscher helfen ihr. Ihre Unterstützer organisieren lokale Proteste gegen Plünderer, machen in sozialen Netzwerken auf Plünderungen aufmerksam, gehen durch Auktionskataloge, um gestohlene Artefakte zu identifizieren und kartografieren gefährdete Ausgrabungsstätten. Aber namentlich will niemand erwähnt werden. „Die internationalen Forscherteams in Ägypten trauen sich nicht, mit der Presse zu sprechen oder Druck auf die Regierung auszuüben“, sagt Hanna, „sie fürchten, dass ihnen das Antiquitäten-Ministerium die Lizenz entzieht und ihre Ausgrabungen stoppt.“ Also hat sie sich zum Schutzschild ihrer Informanten gemacht, wie sie es nennt, zum Gesicht des Kampfes.

Ihr Engagement missfällt den Behörden. Mitarbeiter des Antiquitäten-Ministeriums haben schon bei ihren Vorgesetzten an der Universität angerufen und gesagt, sie soll mit ihrer Arbeit aufhören. Immer wieder erhält sie anonyme Drohanrufe. Und Antiquitäten-Minister Mohammed Ibrahim Ali hat im Staatsfernsehen sogar behauptet, sie habe überhaupt keinen Doktortitel und werde vom Ausland bezahlt, um Ägypten schlechtzumachen. „Lächerlich“, sagt Hanna, „meine Doktorarbeit kann jeder im Internet lesen.“


Abkommen mit den USA.
Trotz aller Widrigkeiten zeigt ihre Arbeit langsam Wirkung. Im April hat sie in New York einen Preis für ihren Einsatz gewonnen. Noch im Juni reist sie wieder in die USA, um vor dem Kongress auszusagen. Sie will erreichen, dass Ägypten und die USA ein Abkommen unterzeichnen, das den Import von ägyptischen Artefakten für die nächsten fünf Jahre verbietet.

Sie hofft, dass sie genug Druck auf die ägyptischen Behörden ausüben kann, damit diese sich endlich selbst des Problems annehmen. „Ich will das nicht ewig machen“, sagt sie, „eigentlich wünsche ich mir nichts mehr, als in meine schöne Blase des akademischen Lebens zurückzukehren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2014)

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