Nullzinsen: Die große Umverteilung

Sparschwein aus Keramik
Sparschwein aus Keramikwodicka@aon.at
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Wer jetzt noch reale Renditen lukrieren will, muss voll ins Risiko gehen. Sparen ist dagegen ein Verlustgeschäft.

Der ein bisschen nach Verzweiflungsakt aussehende jüngste Schritt der EZB – Leitzinsen auf 0,15 Prozent, Negativverzinsung von Einlagen bei der Zentralbank – hat für Anleger weitreichende Wirkungen: Die großflächige Umverteilung von Gläubigern zu Schuldnern wird damit auf lange Sicht fixiert, wer nicht aufpasst, betreibt in diesem Umfeld beim Investieren, vor allem aber beim Sparen, massive Kapitalvernichtung.

Nominelle Negativzinsen auf Sparbüchern wird es zwar in nächster Zeit nicht geben, wer spart, ist aber ohnehin schon seit Langem mit realen Negativzinsen konfrontiert. Und zwar mit deftigen: Bei der aktuellen Verzinsung und der in Österreich vergleichsweise hohen Inflationsrate liegt der reale Verlust bei täglich fälligen Einlagen zwischen 0,65 und 1,7 Prozent im Jahr. Aus einem Tausender werden innerhalb eines Jahres real also im Extremfall 870 Euro. Das kann man getrost vergessen.

Echte nominelle Negativzinsen sind, wie gesagt, nicht zu erwarten. Wohl aber andere Maßnahmen, die Bankkunden davon abhalten sollen, Geld in der Bank zu deponieren. In Deutschland wird etwa über Staffelzinsen gemunkelt: Wer mehr als ein paar tausend Euro aufs „Büchel“ legt, bekommt für den über eine festgelegte Grenze hinausgehenden Teil noch weniger Zinsen.

Die Devise lautet: Für risikolose oder risikoarme Veranlagungen gibt es auf lange Zeit keinen Ertrag mehr, sondern man verliert real definitiv Geld. Das gilt nicht nur für Sparbücher, sondern auch etwa für Tagesgeld und sichere Staatsanleihen (etwa solche aus Deutschland und Österreich). Bei Lebensversicherungen wird der Garantiezins weiter sinken, was sie als Anlageprodukt völlig uninteressant macht.

Attraktiver werden dagegen Risikoprodukte. Wer sein Vermögen auch real bewahren will, muss zu Aktien, Unternehmensanleihen oder Anleihen aus riskanteren Euroländern greifen. Zum realen Vermögenserhalt braucht man in Österreich Renditen deutlich jenseits der zwei Prozent. Die bekommt man nur noch in der europäischen Peripherie, etwa in Portugal oder Griechenland. Gewinnen wird auch Gold: Dessen großer Nachteil, die Zinsenlosigkeit, ist jetzt ja keiner mehr.

Anbieten würden sich die extrem niedrigen Zinsen für Immobilieninvestments auf Pump. Allerdings sind dafür in vielen Regionen die Preise schon zu hoch, um beim Wiederverkauf nennenswerte Erträge zu lukrieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2014)

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