Österreichische Höhlenretter erneut im Einsatz

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Ein Vierer-Team der Österreichischen Höhlenrettung hilft beim Abtransport des Verletzten am Mittwoch mit. Doch die Rettungsaktion stockt, die Retter müssen immer wieder Pausen einlegen.

Die Rettungsaktion in der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden zieht sich hin. Das Team mit einem österreichischen Arzt konnte noch nicht zu dem schwer verletzten Höhlenforscher in 1.000 Metern Tiefe vordringen. Sie sollten technisches Material einbringen, "um die Strecke für den Abtransport vorzubereiten", sagte Roland Ampenberger, Sprecher der Bergwacht Bayern. Der Mediziner und seine drei Begleiter seien in Biwak 3 etwa auf halber Höhe, sagte der stellvertretende Chef der Bergwacht Bayern, Stefan Schneider, am Mittwoch.

Die Gruppe müsse ausruhen und komme derzeit nicht weiter, erklärte Schneider. Ruhepausen seien notwendig, um die physische und psychische Leistungsfähigkeit zu bewahren, informierte die Bergwacht. Eine italienische Gruppe mit einem weiteren Arzt sei in die Höhle eingestiegen und soll bis Biwak 3 aufschließen.

Höhle ist extrem schwierig

Die Höhle sei extrem schwierig. "Für mich ist das die absolute Ausnahme, wenn da einer runterkommt", sagte Schneider. Die ärztliche Untersuchung des Forschers nannte er einen "Meilenstein" im Verlauf der Rettungsarbeiten. Nach der Untersuchung sei möglicherweise klarer, wann und wie der Aufstieg mit dem Verletzten in Angriff genommen werden könne.

Zunächst hatten die Helfer gehofft, dass ein Mediziner den Verletzten, der derzeit von einem Schweizer Team betreut wird, am Mittwochvormittag erreichen könnte. Für den Aufstieg ist es nötig, dass der Höhlenforscher mithelfen kann. Es gibt zum Beispiel eine Engstelle, die nur passierbar ist, wenn man den Kopf schräg legt und den Bauch einzieht. Unter anderem mit Hilfe von Flaschenzügen könnte der Verletzte über senkrechte Stellen gebracht werden. Ob das sitzend oder in einem Bergesack möglich sein wird, ist offen. Ebenso unklar ist, wie er geborgen werden soll, falls er nicht aus eigener Kraft etwas tun kann.

Höhlenforscher erlitt Schädel-Hirn-Trauma

Die Ärzte haben laut Ampenberger Medikamente und Wärmematerial mit. "Der Patient ist stabil und ansprechbar. Er konnte mit Hilfe gestern aufstehen. Er hat ein Schädel-Hirn-Trauma, aber keine Zusatzverletzungen." Der Verletzte könne Körperbewegungen teils selbstständig ausführen, was bei der Bergung aus dem stellenweise sehr engen Schachtsystem von Vorteil sei. Die Entscheidung, wann der erste Schritt zum Abtransport des Stuttgarter Höhlenforschers falle, liege bei den Ärzten, sagte der Bergwacht-Sprecher.

Mittlerweile halten sich nicht nur Höhlenretter aus Salzburg, sondern aus ganz Österreich einsatzbereit. Das wurde bei einer Einsatzbesprechung der Salzburger Höhlenrettung mit dem Bundesverband am Dienstagabend beschlossen. "Das Ergebnis war der Zusammenschluss aller österreichischen Höhlenrettungskräfte. Sie gehen in den Einsatz, sobald sie von der Einsatzstelle in Berchtesgaden angefordert werden", sagte Norbert Rosenberger von der Salzburger Höhlenrettung. Bereits in der Nacht auf Montag sind Salzburger Höhlenretter in die rund 1.000 Meter tiefe Höhle eingestiegen und haben sich an der Vorbereitung der Rettungsmaßnahmen beteiligt.

Psychologische Herausforderung

Die Rettung des in der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden (Bayern) eingeschlossenen Höhlenforschers stelle auch aus psychologischer Sicht eine Herausforderung für den Verletzten und seine Retter dar. Nach der Bergung sei eine psychosoziale Betreuung des Opfers, der Retter und der Familie des Opfers notwendig, sagte Edwin Benko vom Kriseninterventionsteam Steiermark im APA-Gespräch.

Das tagelange Gefangensein unter der Erde stelle ein außergewöhnlich belastendes Ereignis dar, das die normalen Bewältigungsstrategien überfordere. Die Betroffenen müssten sich in derartigem Stress selbst der Belastung gar nicht immer bewusst sein. "Der Mensch hat für solche Situationen einen Schutzfaktor und erlebt alles wie einen Film, bei dem er sich selbst zuschaut", erklärte der Psychotherapeut.

Unmittelbar oder oft auch zeitverzögert nach solchen Vorfällen können sich die Überlebenden dann aber in Situationen sogenannter Flash-Backs oft schutz- und hilflos ausgeliefert fühlen, an Angstattacken, Schlaflosigkeit oder Phasen von Übererregtheit leiden, erklärte Benko. "Das sind die normalen Reaktionen auf die außergewöhnliche Belastung und gehören dazu", so Benko. Stabilisierende Gespräche würden helfen, das Erlebte zu verarbeiten.

Retter sollen betreut werden

Die Akutbetreuung des Opfers sei die eine Seite, wichtig sei aber auch die Betreuung der Einsatzkräfte: "Auch für die Retter stellt die Bergung unter solchen Umständen einen Ausnahmezustand dar", betonte der fachliche Leiter des steirischen Kriseninterventionsteams KIT, das in der Steiermark nach den Erfahrungen aus dem Grubenunglück in Lassing (1998) gegründet wurde. Damals stand zunächst keine organisierte psychosoziale Erstbetreuung für die Angehörigen und Hinterbliebenen zur Verfügung.

Daraufhin wurden erste Teams zusammengestellt, eine spezielle Schulung eingerichtet und die Institution schließlich 1999 gesetzlich verankert. Inzwischen sind in der Steiermark rund 400 Akuthelfer ehrenamtlich tätig. Auch in allen anderen Bundesländern gibt es heute ähnliche Einrichtungen, die auf einer gemeinsamen Plattform zusammenarbeiten.

(APA)

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