Beim Wien-Besuch von Erdoğan könnten tausende Anhänger und Gegner des Premiers aufeinandertreffen. Gleich zwei Protestkundgebungen wurden angemeldet.
Wien. 7200 Anhänger in und mehr als 10.000 vor der Albert-Schulz-Halle werden am Donnerstagnachmittag den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Wien empfangen. Sein Besuch ruft aber auch seine Gegner auf den Plan. Bis Dienstagnachmittag wurden zwei Demonstrationen angemeldet, die den Protest gegen die Veranstaltung mit Erdoğan zum Ziel haben. Polizeisprecher Johann Golob zufolge plant ein Bündnis mehrerer türkischer und österreichischer Vereine (darunter die rote Gewerkschaftsjugend, der VSStÖ und der Dachverband der kurdischen Vereine in Österreich), ab 13 Uhr vom Praterstern zur Albert-Schulz-Halle in die Donaustadt zu marschieren.
Die Organisatoren gehen laut Anmeldung von rund 10.000 Teilnehmern an der Demonstration aus. „Es wird morgen noch Gespräche mit den Veranstaltern geben“, sagte Golob am Dienstag. Kopfzerbrechen bereite der Exekutive vor allem die Route, die wohl über die viel befahrene Wagramer Straße bis zur Halle führen würde. Eine zweite Demo soll um 14 Uhr bei der Oper starten und in den Sigmund-Freud-Park ziehen. Diesen Protestzug hat der Verein zur Förderung des Gedankenguts von Kemal Atatürk angemeldet. Die Veranstalter erwarten rund 1000 Teilnehmer. „Unsere Aufgabe ist die Sicherung der Veranstaltung“, sagte Golob. Ein Platzverbot rund um die Halle sei bisher nicht geplant. Und wie viele Beamte sind im Einsatz? „Das geben wir nie bekannt. Es werden uniformierte und zivile Kräfte im Einsatz sein.“
Die Linien 22A, 26A, 27A, 93A und 94A werden von etwa 10.30 Uhr bis voraussichtlich 20 Uhr kurz geführt bzw. umgeleitet. Die Linie 25 fährt nur bis etwa 10 Uhr. Auf sicherheitspolizeiliche Anordnung hin wird die U-Bahn-Linie U1 die Station Kagran ab etwa 13 Uhr durchfahren. Die Wiener Linien empfehlen Besuchern der Veranstaltung, rechtzeitig mit der U1 anzureisen und für Hin- und Rückfahrt etwas mehr Zeit einzuplanen.
Alle Gratiskarten vergriffen
Offizieller Anlass für Erdoğans Besuch ist das zehnjährige Bestehen des Vereins UETD (Union of European Turkish Democrats). Sämtliche Gratiskarten für die Albert-Schulz-Halle, in der normalerweise das Eishockeyteam der Vienna Capitals ihre Spiele austrägt, waren bereits am Dienstag vergriffen. Hinzu kommt eine Videowall, auf der Erdoğans Rede auf einem Platz vor der Halle übertragen wird. Dieser Bereich ist für 10.000 Personen zugelassen, erwartet werden aber mehr. Die Veranstalter müssen 14 Eingangsschleusen einrichten und einen Beitrag zur Sicherheit leisten, indem sie 100 Ordner stellen. Genehmigt ist das Event von 12 bis 17 Uhr. Um 14 Uhr beginnt das Programm, weitere Details zum Tagesablauf waren am Dienstag nicht bekannt. Der türkische Botschafter in Wien ließ sich auf Anfrage zu dem Termin nur entlocken, dass das Programm „von einem privaten Verein erstellt“ werde. Fix ist vorerst nur, dass Erdoğan am Vormittag in Wien ankommt und ab etwa 14.30 Uhr seine Rede hält. Am Abend soll er sich mit Mitgliedern der UETD zum Abendessen in einem türkischen Restaurant treffen, was die Organisatoren aber nicht bestätigten.
Zuletzt wurde für das Essen immer wieder das Restaurant Kent in der Brunnengasse in Ottakring genannt, was der Geschäftsführer aber im Gespräch mit der „Presse“ dementierte. Auch Meldungen, wonach das Kent das Catering in der Albert-Schulz-Halle übernehmen werde, würden „leider“ nicht stimmen. Es habe diesbezüglich keinerlei Anfragen gegeben.
Treffen mit Kurz in Schwebe
Am Freitag wird Erdoğan über Paris nach Lyon weiterfliegen. Möglicherweise trifft er in der Früh noch Außenminister Sebastian Kurz. Doch seit der VP-Politiker den türkischen Premier öffentlich davor warnte zu polarisieren, herrscht dicke Luft zwischen Wien und Ankara. Das Treffen ist deshalb noch nicht fixiert.
Die UETD wurde vor zehn Jahren in Deutschland gegründet. Ziele sind laut Homepage die „Fokussierung auf die Probleme der Türken in Europa“ und „politische Öffentlichkeitsarbeit“. Zwei Jahre später folgte die UETD Austria, inzwischen ist man in Frankreich, Holland, Belgien, Finnland, Großbritannien, Luxemburg, Schweden, der Schweiz und Ungarn vertreten.
Der Verein versucht, sich unabhängig zu positionieren, aber die Nähe zur Partei von Erdoğan, der AKP, ist unübersehbar. Nicht nur, dass Erdoğan jetzt zur Zehn-Jahres-Feier erst zur UETD Deutschland und anschließend zur UETD Austria gleich zweimal anreist. An der Generalversammlung der UETD Austria im März nahm der für Auslandstürken zuständige AKP-Abgeordnete Metin Külünk teil. (kb)
AUF EINEN BLICK
Auftritt. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan wird am Donnerstag um etwa 14.30 Uhr in der Albert-Schulz-Halle zu rund 7200 Anhängern sprechen. Weitere 10.000 Menschen werden auf einem Platz vor der Halle erwartet. Am Donnerstag oder Freitag soll ein Treffen mit Außenminister Sebastian Kurz auf dem Plan stehen. Gegen Erdoğans Besuch wurden zwei Demonstrationen mit mehr als 10.000 Teilnehmern angemeldet, die zu Verkehrsbehinderungen führen werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2014)