Architekten: An die Arbeit

Ordnungssysteme, Stilprinzipien, CI-Vorgaben. Auf Visite
bei Architekten, in einer Tourismuszentrale, im Kulturbetrieb
und einem Familienunternehmen.

Aufgeräumt wirkt es im Büro der BEHF Architekten in der Kaiserstraße in Wien Neubau. Obwohl hier an die hundert Leute arbeiten und in einem Architekturbüro naturgemäß viel Papier, Muster, Materialien anfallen. Ein Ritual hält das Ablegen und Archivieren in Schach: „Wir haben eine klare Zuordnung der Dinge. Alles, was täglich in Gebrauch ist, befindet sich am Arbeitsplatz. Alles, was hin und wieder verwendet wird, kommt in die Archive. Und alles, was man seit einem Jahr nicht mehr verwendet hat, wird weggeworfen. Bücher und Kataloge natürlich nicht“, erklärt BEHF-Gründungsmitglied Armin Ebner. Ausgemistet wird zweimal im Jahr, konsequent und gemeinsam, eine Aktion, die sie Kara-Kara nennen. „Es hat etwas Zen-Buddhistisches, dieses Wiederherstellen des großen strukturierten Bildes“, sagt Stephan Ferenczy. Und Susi Hasenauer ist immer wieder erstaunt über die ganzen Büromaterialien oder die Bücher, die da wieder auftauchen. „Manche, die vorbeikommen, glauben, wir ziehen beim Kara-Kara aus“, grinst sie.



Die Farben – Weiß, Grau, Beige – sorgen auf den 2400 Quadratmetern zusätzlich für konzentrierte Atmosphäre. Hinzu kommt eine klare Abfolge von Sechserschreibtisch-Inseln und Regalreihen, die die BEHF-Gründer selbst entworfen haben – aus unverwüstlichen, billigen Platten. „Außer den Stühlen und den Mistkübeln gibt es eigentlich kein Möbelstück, das wir gekauft haben“, erzählt Ebner. Doch an jenen entscheidenden Stellen, an denen es nicht auf das zuvorderst Günstige und Praktische ankommt, wird nicht am Material gespart, etwa bei den schwarzen Ledersesseln im Besprechungsraum, der im Übrigen so Zen ist, dass darin nichts ablenkt. Das Vorhandene mit dem Funktionellen und dem Wertigen zu kombinieren, spiegle ihre Architekturhaltung wider, meint Ferenczy, „wir gewinnen die Kunden, wenn sie zu uns ins Büro kommen“. Die Besucher empfänden Ort und Team als Erlebnis, ist BEHF-Board-Mitglied Christian Politsch überzeugt. „Denn was er sieht, ist Kreativität und Struktur.“

Diese Optik wird vom Bau schon intendiert. In dem Hinterhoftrakt des Jahrhundertwendehauses befand sich eine Miederwäschefabrik: „Man sieht noch den Abdruck der schweren Maschinen“, zeigt Ebner auf den Boden, „wir blieben dann in der vorgegebenen Ästhetik.“ Seit sie 1999 von der Meidlinger Hauptstraße in die Kaiserstraße gezogen sind, ist BEHF ständig gewachsen, auch in die Höhe, zuerst ein Stockwerk, ein zweites, bis schließlich vier Etagen daraus wurden, unter denen der Innenhof wegtaucht – die Architekten haben ihn unter einem Tarnnetz verschwinden lassen, man meint von den weinroten Sesseln auf der Terrasse zum Fenster gegenüber spazieren zu können. Von acht Uhr bis acht Uhr ist hier Betrieb, und zu Mittag verlassen die Mitarbeiter schon einmal länger das Büro, die Lage am Schottenfeld ist verlockend geworden. „Es gibt vielleicht schickere Lofts, aber die haben keine Infrastruktur“, meint Politsch. Gefragt ist zudem die Nähe zur Parkgarage, vor allem die Kunden, selbst die innerstädtischen, kämen gern mit dem Auto.

Bei aller Ruhe ist immer wieder Bewegung in Büro: Die Mitarbeiter, meist thematisch zusammengesetzt, wechseln öfter ihren Platz. Chefbüros gibt es keine. Sichtbar flache Hierarchie? „Das zeugt von der Absicht zu kommunizieren. Es geht darum, dass man in einer großen, weiten Räumlichkeit Atmosphären mitbekommt, Erfolge, Fehler, was andere eben so machen“, erklärt Ferenczy.
Terrainwechsel und Durchlässigkeit haben zur Folge, dass sich bei der für ein österreichisches Architekturbüro sehr großen Mannschaft Arbeitssituationen durchmischen und sich die Leute doch kennenlernen. „Wenn es Zimmer geben würde, müssten wir das echt institutionalisieren, wie man sich untereinander austauscht“, meint Hasenauer. Und doch gibt es auch dafür Rituale: Ein Treffen jeden ersten Montag im Monat im Besprechungsbereich – Neuigkeiten austauschen, ganz Banales reden und lange zusammensitzen. Manchmal bis nach Mitternacht.

Die Konzerttheaterdirektorin. Elke Hesse, die Direktorin des Muth, sieht von ihrem Schreibtisch aus auf Kastanienbäume, gekieste Wege und barocke Bausubstanz. „Ein Hort der Ruhe“, meint sie über ihren Arbeitsplatz im ersten Stock des schnittigen Gebäudes, das Archipel Architektur an die Spitze des Augartens gesetzt hat. „Ich bin extrem gern in der Früh hier, da gehe ich ungestört den Tag durch, schreibe E-Mails.“ Und der Tag für Hesse dauert lang, oft bis nach Ende der Abendveranstaltungen im Konzertsaal; ihre Agenden führen sie ständig zwischen dem modernen Musiktheater und dem Palais der Wiener Sängerknaben hin und her, in deren Geschäftsführung sie auch vertreten ist. Spannungsreich findet sie ihr Umfeld, „weil klassische Konzertsäle noch selten eine moderner Architektur haben – von Grafenegg, Raiding oder Erl abgesehen.“

Großzügig und hell ist Hesses Büro, das ganz nach ihren Vorstellungen eingerichtet ist, licht, locker bestückt und weitgehend dekorationsfrei, schließlich ist sie seit dem Ausheben der Baugrube im Muth engagiert. „Ich wollte zum Beispiel immer einen großen, leichten Besprechungstisch. Der Schreibtisch aber ist recht klein – das zwingt einen zur Ordnung.“ Hinten, wo sich die Decke in dem schräg geschnittenen Raum senkt, soll noch ein Lounge-Chair hinkommen, zum Musikhören, was für Hesse zum Arbeitsalltag gehört. Gleichmäßiges Nordlicht flutet durch das große Fenster. Manchmal kann es trotz Umluftanlage ziemlich heiß werden, denn Beschattung schätzt Hesse nicht. Sie wandert lieber mit dem Laptop durch den Raum. „Wenn’s ganz arg wird, bis ganz nach hinten. Da kommt die Sonne nie hin.“ Weitgehend papierlos ist der Eindruck, weil sie zwar viele Seiten liest, aber nicht hortet. „Ich bin keine Freundin von Ordnern.“ Also liegen geschlichtete Klarsichtfolien auf dem Tisch. Und die tägliche To-do-Liste. Was eines der wichtigsten Dinge in einem Büro ist? „Eine gute Kaffeemaschine.“ Daher hat diese auch einen prominenten Platz bekommen.

Der Unternehmer. MP09, das Headquarter der Michael Pachleitner Group, steht wie ein Monument am Osteingang von Graz. Der „schwarze Panther“ mit seiner Fassade aus dunklem Glas „sollte in seinem Erscheinungsbild möglichst transparent sein, ohne dass jedoch die Mitarbeiter das Gefühl haben, an ihrem Arbeitsplatz beobachtet werden“, sagt CEO und Eigentümer Michael Pachleitner. 150 Mitarbeiter des Familienunternehmens sind hier am Werk – in Einzel- wie in Großraumbüros. Zu zwei Dritteln dient der Bau dem Eigenbedarf, der Rest wird vermietet. Es gibt auch ein Restaurant im MP09.

Das Haus kommt ohne Klimaanlage aus –  alle Räume sind mit Kühldecken ausgestattet. „Damit beläuft sich der Temperaturunterschied zwischen außen und innen zwar auf maximal sieben Grad, aber das Klima ist sehr angenehm“, sagt Pachleitner. Die Räume werden ständig mit gefilterter Frischluft versorgt.

Formal lag Pachleitner an einer Verschmelzung von außen und innen, selbst Pflanzgefäße und Sitzgelegenheiten sind Teil der Architektur. Der Empfangsdesk am Eingang zum Chefbüro etwa setzt sich ebendort als Stehpult fort und geht in die Terrassenlandschaft über. Letztere besteht auf verschiedenen Ebenen des Baus und bietet Platz für Meetings: „Auch der Wind oder das herannahende Gewitter können inspirieren“, sinniert er. In seinem eigenen Arbeitsreich mag es der Hausherr ordentlich, funktionell und reduziert, aber hochwertig: Die Wände, die die Schränke verbergen, sind mit Leder austapeziert, Gleiches gilt für den Schreibtisch aus Tischlerhand. Die geometrischen Muster setzen sich auf dem Boden, der im gesamten Haus derselbe ist, fort. Pachleitners Büro dehnt sich über zwei Etagen aus, im oberen Geschoß findet sich zudem ein Küchenblock. Gegenstände, die Pachleitner ein Arbeitsleben lang begleiten? Fehlanzeige. Ein Laufband, Fotos der Familie und Möbel aus dem Privathaus geben dem Büro aber dennoch eine persönliche Note.

Die Tourismuschefin. Dekoration braucht Petra Stolbas Büro nicht. „Diese Kulisse ist genug“, sagt die Chefin der Österreich Werbung und deutet auf die Fensterfläche neben ihrem Schreibtisch: Den ganzen Stadtpark, das MAK, die City, sogar die Neubauten am Hauptbahnhof erspäht man. „Vor allem der Sonnenuntergang ist spektakulär“, schwärmt Stolba, die in ihrem Büro oft internationalen Besuch empfängt – keine schlechte Tourismuswerbung, dieses reale Sujet, das sich dadurch ergibt, weil dieses Gebäude ein wenig vorspringt und auch nicht ganz von Wien-Mitte verdeckt wird. Als sie vor dem Umzug aus der Margaretenstraße auf die Baustelle – das Bürohaus ist ein Refurbisment – kam, brauchte sie einige Fantasie: „Alles entkernt und ausgehöhlt. Unvorstellbar, wenn man diese riesige Fläche ganz leer vor sich hat.“ Und als der rote Teppich auf der Geschoßebene lag, war es schwer vorstellbar, dass seine Leuchtkraft von den weißen Möbeln und anderen Farben eingebremst wird. Der Eindruck jedoch ist gerade richtig: fröhlich, offen. „Er bringt eine Grunddynamik herein. Wir sind die Einzigen in dem Haus, die so bunt sind.“ Leicht zu überprüfen, wenn man einen Blick in die Tiefe des Innenhofes wagt.

Der Umzug brachte nicht nur ein verändertes Ambiente, sondern auch neue Gepflogenheiten für die rund hundert ÖW-Mitarbeiter: „Damals hatten wir ein Büro mit sieben Stockwerken und die einzelnen Abteilungen waren sehr isoliert. Jetzt haben wir einige Epochen der Bürorganisation übersprungen – zu einem Open Space.“ Was bedeutet, dass in größeren Raumeinheiten miteinander gearbeitet wird, es aber auch mehr Rücksichtnahme braucht. Umgekehrt müsse gerade ein kreatives Marketingunternehmen wie die ÖW es ermöglichen, dass man sich austauscht und viel leichter ins Gespräch kommt.
Man müsse dazu nur aufstehen. „Wenn ich etwas brauche, dann gehe ich zu den Kollegen hin, ich telefoniere dann nicht. Ich wandere. In zweieinhalb Minuten habe ich das Büro umrundet.“ Da ist von 2100 Quadratmetern die Rede, auf einem Geschoß. Manchmal führt sie der Weg auch an der Cafeteria vorbei, in der lauter Möbel aus österreichischem Design auf einem Holzboden stehen, in die Gestaltung hat die Projektgruppe der Mitarbeiter ihr ganzes Herzblut hineingelegt.

Überall auf den Flächen ist moderne österreichische Kunst zu sehen, die von der Artothek geliehenen Werke werden immer wieder ausgewechselt. Was unterscheidet Österreich international beispielsweise von der Schweiz? „Die Alpen haben wir gemeinsam, aber es ist die Kulturalität des Landes. Und da referenzieren wir schon drauf.“ Auch hinter ihrem Schreibtisch hängt Zeitgenössisches aus Österreich. Aber das war es an Blickfang auch schon, denn Stolba schätzt leere Flächen: „Auf dem Schreibtisch darf nichts herumliegen.“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Immobilien-News

Sitznachbar: Echte Typen

Wenn Visuelle auf Auditive treffen: Worin so mancher Streit im Büro begründet sein mag – und welche planerischen Mittel Abhilfe schaffen können.
Immobilien-News

Arbeitplatz: Zahlen, Daten, Fakten

Was ist gesund am Arbeitplatz, was bringt eine höheres Wohlbefinden und wie engagiert sind heimische Mitarbeiter? Ein Überblick.
Immobilien-News

Bürogestaltung: Denken und reden

Warum Rutschen nicht überall funktionieren: Bei der Gestaltung moderner Büros geht es vor allem um die Balance zwischen Kommunikation und Konzentration.
Immobilien-News

Optimierung: Tuning-Faktor

Von zusätzlichen Attraktionen bis zur kompletten Revitalisierung: Was alles getan wird, um bestehende Büroimmobilien für neue Mieter attraktiv zu machen.
Immobilien-News

Zertifikat: Rittern um Silber, Gold, Platin

Immer mehr Bürogebäue werden zertifiziert. Die Kennzeichnung als Green Building oder Blue Building hat sich zu einem wichtigen Asset auf dem Markt entwickelt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.