Spanien: Königsjubel und WM-Kater

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Der neue König Felipe VI. will den ramponierten Ruf der Monarchie retten und präsentiert sich als "Diener der Bürger". Untertanen spotten derweil über die "Doppelabdankung".

Madrid. „Es lebe der König“, rufen jene Anhänger der Monarchie, die mit Spanien-Fähnchen in der Hand durch Madrids City zum historischen Königspalast marschieren. „Ja, aber möglichst weit weg“, schallt es von einem Protestler-Trupp zurück, der sich trotz Demonstrationsverbotes auf dem zentralen Platz Puerta del Sol eingefunden hat.

Die Polizei drängt die Antimonarchisten ab. Kritische Töne sind am Tag der Königsproklamation im gespaltenen Spanien nicht erwünscht. Die Thronbesteigung von Felipe VI., die von TV-Sendern aus aller Welt live übertragen wurde, soll nicht durch Misstöne überschattet werden. Das glanzlose Ausscheiden des spanischen Fußballweltmeisters in Brasilien Stunden zuvor war schon schlimm genug und verschaffte der Nation einen schweren Kater.

Lächelnde Königin

Es war kurz vor 11 Uhr, als der 46-jährige Thronfolger Felipe in blauer Gala-Uniform vor den beiden Kammern des Parlaments schwört, die „Verfassung zu achten“. Parlamentspräsident Jesús Posada spricht daraufhin den wichtigsten Satz des Tages: „Felipe de Borbón wird zum König von Spanien ausgerufen.“ Formal war Felipe VI. seit Mitternacht Monarch, denn zu dieser Stunde trat die Abdankung seines 76-jährigen Vaters, Juan Carlos I., in Kraft.

Neben Felipe liegen auf einem mit rotem Samt bezogenen Schemel die glitzernden Symbole seines Amtes: Krone und Zepter. Sie sind stille Zeugen des Generationswechsels an der Spitze des Königshauses.

Mit dem Aufstieg Felipes ins Amt des königlichen Staatschefs wird seine 41 Jahre alte bürgerliche Frau Letizia automatisch Königin von Spanien. Lächelnd steht sie auf wackeligen Absätzen neben dem um einen Kopf größeren Gemahl, in einem weißen Kostüm ihres Lieblingsdesigners Felipe Valera. Die beiden Kinder des neuen Königspaares stehen mit großen Augen neben ihrer Mutter: die achtjährige Prinzessin Leonor, die mit der Thronübernahme ihres Vaters zur neuen Thronerbin aufrückt, und die ein Jahr jüngere Prinzessin Sofía. Felipes in einen Betrugsskandal verwickelte Schwester Cristina war übrigens nicht eingeladen. Juan Carlos, der durch seine Elefantenjagd und andere Affären viel Ansehen verlor, zog es freiwillig vor, nicht zum Festakt zu kommen.

Der größte aller Monarchen

Seine weitgehend getrennt von ihm lebende Frau Sofía, die im Gegensatz zu Juan Carlos immer noch sehr beliebt ist, begleitete ihren Sohn Felipe derweil. Man weiß, dass sich Sofía ein Leben lang für Felipe und seine Zukunft als Thronfolger eingesetzt hat, zuweilen auch gegen den Widerstand von Juan Carlos, der sich der Hochzeit Felipes mit der bürgerlichen und in erster Ehe geschiedenen Letizia entgegengestellt hat.

Felipe ist übrigens jetzt nicht nur der jüngste König Europas, sondern mit 1,95 Metern auch der größte Monarch der Welt. In seiner Antrittsrede kündigt Felipe einen Zeitenwechsel im zuletzt viel kritisierten Königshaus an. Er werde für „eine erneuerte Monarchie“ arbeiten, „die die Nähe zu den Bürgern sucht, deren Vertrauen gewinnt“. Umfragen zufolge wird die Monarchie nur noch von etwa der Hälfte der Bevölkerung unterstützt, auch wenn Felipe mehr Reformkraft zugetraut wird als zuvor seinem Vater. „Der König muss ein Diener aller Bürger sein“, sagte Felipe nun bescheiden.

Dann folgt das Bad in der Menge: Felipe und Letizia steigen vor dem Parlamentsgebäude in einen offenen Rolls-Royce. Die Reise geht rund zwei Kilometer weit zum alten Königspalast. Auf den Dächern sichern Scharfschützen die Triumphfahrt. Es herrscht aber wenig spontane Euphorie auf den Straßen. Madrids Bürgermeisterin Ana Botella sah sich gezwungen, ihre Bürger per „Jubelerlass“ aufzufordern, „unseren neuen Königen eure totale Unterstützung zu zeigen“. Rund 100.000 Fähnchen sind vom Rathaus verteilt worden.

Die Polizei hatte die Anweisung, „zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ alle antimonarchischen Bekundungen zu unterbinden und republikanische Fahnen entlang der königlichen Fahrstrecke zu beschlagnahmen. Es gab mehrere Festnahmen.

Spanischer Galgenhumor

Am Königspalast folgt dann mittags das öffentliche Jubelfinale: Felipe und Letizia treten mit ihren Töchtern auf den Balkon des Palastes. Die Könige im Ruhestand, Juan Carlos und Sofia, gesellen sich hinzu. Sie schauen auf ein rot-gelb-rotes Fahnenmeer zu ihren Füßen.

In den sozialen Netzwerken blüht derweil der Galgenhumor, indem das Versagen der spanischen Fußballelf bei der WM und der Abtritt von Juan Carlos aufs Korn genommen werden. Das Wort „Doppelabdankung“ macht die Runde. Genauso wie ein angeblicher Brief von Juan Carlos an die gescheiterten Kicker: „Ich freue mich, dass ihr rechtzeitig zur Proklamation von Felipe nach Hause gekommen seid.“

AUF EINEN BLICK

Spanien hat einen neuen König.

Felipe VI. legte am Donnerstag vor den Parlamentskammern seinen Eid auf die Verfassung ab. Der 46-Jährige folgt seinem Vater Juan Carlos (76), der Anfang Juni nach einer Reihe von Skandalen seinen Thronverzicht angekündigt hat. Der scheidende Monarch unterzeichnete das Gesetz, das die Abdankung besiegelte, am Mittwoch. Es trat um Mitternacht in Kraft. Donnerstagmorgen, noch vor der Vereidigung, übergab Juan Carlos seinem Sohn die Insignien des Armeechefs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2014)

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