Grätzeltour: Rund um die Rasumofskygasse

Die Praternähe war für die Designer von Walking Chair ausschlaggebend, um nach 1030 Wien zu siedeln. Rund um die Rasumofskygasse arbeitet man etwas gemütlicher.

Vor genau 15 Jahren ist Fidel Peugeot mit seiner Familie in den dritten Wiener Gemeindebezirk gezogen. Damals lebte der Designer im Siebenten, wollte aber grüner wohnen. „Nur ein desolater Lattenzaun trennte die Hundezone vom Spielplatz“, erzählt Peugeot. Mit Kind und Kegel übersiedelte er 1999 in Praternähe – und zwar in die Stammgasse. „Hier ist man zwar nicht im Zentrum, aber die Infrastruktur ist trotzdem ideal“, so Peugeot, der mit seinem Geschäftspartner, Karl Emilio Pircher, in der nahegelegenen Rasumofskygasse 10 das Designstudio Walking Chair betreibt. In dem Eckhaus befand sich früher ein Kaffeehaus, heute sind Besucher im Designshop der beiden Kreativen willkommen. „So mancher alteingesessene Wiener brauchte eine etwas längere Anlaufzeit, um zu uns hereinzukommen“, erzählt Peugeot über seine Anfänge als Unternehmer. „Es wird viel geschaut und weniger direkt kommuniziert“, beschreibt der aus Basel stammende Designer mit einem Augenzwinkern die Bewohner des „gemütlichen Grätzels“.

Dekorative Merkmale

Dass er und sein Kompagnon das 250 Quadratmeter große Geschäftslokal mieten konnten, ergab sich rein zufällig. „Das Lokal ist länger leer gestanden und da der Besitzer keine Drogeriekette oder Ähnliches im Haus haben wollte, bekamen wir den Zuschlag.“

Darüber ist Peugeot auch heute noch glücklich, er bereut den Umzug keine Minute. Wohnen und arbeiten im Dritten – unweit der Rotundenbrücke, die über den Donaukanal in den Prater führt – das ist für ihn der Idealzustand. Knapp drei Minuten zu Fuß entfernt, in der Löwengasse, liegt eines von Peugeots Lieblingslokalen: das Café mit dem Namen Gedöhns. Seine Betreiber sind die Künstlerin Wencke Pond und deren Freund Albert Scoma. „Wir wurden auf das leer stehende ehemalige Wettbüro aufmerksam, weil wir gegenüber wohnen“, erzählt Scoma. Die beiden renovierten das kleine Geschäft und feierten vor einigen Monaten seine Eröffnung. Im Shabby-Chic-Stil eingerichtet, wollen die Junggastronomen etwas Schwung in die Gasse bringen. Vorteile erhoffen sich die Betreiber von der Straßenbahnhaltestelle direkt vor der Haustür. Der eine oder andere Tourist verirrt sich hierher und sucht eines der bekanntesten Gebäude Wiens: das Hundertwasserhaus. Die markante Fassade kann man von hier erkennen, sie blitzt aus dem Häusermeer hervor.

Auch das Palais des Beaux Arts, das nach einiger Zeit des Stillstands wieder zu Ausstellungen einlädt, ist ein dekoratives Merkmal der Löwengasse. Es wurde 1908 für das Mode- und Verlagshaus Chic Parisien erbaut. Nächste Station: Hetzgasse, wo im Hetztheater zwischen 1755 bis 1796 Schautierkämpfe stattfanden. Die Fassade erinnert noch an den Veranstaltungsort, heute befindet sich darin eine Supermarktkette. Über die Seidlgasse geht es weiter in die Marxergasse: Auf Nummer elf hat die Geigenbaumeisterin Henriette Lersch ihre Werkstatt. Sie schätzt die Nähe zum Konzerthaus: „Viele Musiker wohnen hier und lassen ihre Instrumente bei mir reparieren. Außerdem ist der Bahnhof Wien-Mitte nicht weit weg.“ Um wieder zum Ausgangspunkt in der Rasumofskygasse zu gelangen, legt Peugeot einen Zwischenstopp bei Katapult ein, einer Tischlereigemeinschaft, die sich vor Kurzem in einem Kellerlokal eingemietet hat. „Die Mieten sind im Dritten noch etwas günstiger“, erzählt der Inhaber Christian Lengauer.

„Auf gute Nachbarschaft anstoßen“, das wollen Lengauer und Peugeot. Nächstes Jahr soll ein kleines Gassenfest für die umliegenden Betriebe organisiert werden, um im Grätzel noch näher zusammenzurücken.

INFO

Der Bezirk Landstraße grenzt südöstlich an die Innere Stadt und zählt zum erweiterten Stadtzentrum. Etwa 86.400 Bewohner leben auf einer Fläche von 7,42 Quadratkilometern, das sind 1,8 Prozent der gesamten Stadtfläche. Wer im Dritten eine Wohnung mieten möchte, muss mit Quadratmeterpreisen in der Höhe von 11,30 Euro pro Monat rechnen. Für ein etwa 150 Quadratmeter großes Geschäftslokal beträgt laut dem aktuellen WKO-Immobilienpreisspiegel die monatliche Miete rund 21 Euro/m2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2014)

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