„Erdoğans Einmischung war schädlich“

Sebastian Kurz mit Recep Tayyip ErdoğanAPA (DRAGAN TATIC)
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Außenminister Kurz überraschte den türkischen Premier bei einem Treffen mit direkter Kritik.

Wien. Bevor der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan seine Europa-Tournee in Frankreich fortsetzte und zu seinen Fans nach Lyon weiterflog, hatte er am Freitag um zehn Uhr noch einen Termin in Wien. Keine 17 Stunden nach seinem umjubelten Auftritt in der Albert-Schultz-Halle in Donaustadt traf er Sebastian Kurz im Grand Hotel am Kärntner Ring. Laut Augenzeugen ging der Ministerpräsident leutselig auf den österreichischen Außenminister zu. Doch Kurz blieb kühl. Und diesen Eindruck wollte der VP-Politiker auch der Öffentlichkeit vermitteln, deshalb gab er danach eine Pressekonferenz im Außenamt, um von seiner Begegnung mit Erdoğan zu erzählen.

„Es war mir ein Anliegen, dass Premierminister Erdoğan nicht aus unserem Land abreist, ohne gehört zu haben, was wir von seinem Auftritt halten. Ich habe ihm persönlich klar unsere Meinung gesagt. Erdoğan hat den türkischen Wahlkampf nach Österreich getragen und für Unruhe auf unseren Straßen gesorgt“, erklärte Kurz.

Sultan-Sager missverstanden

Im Gespräch mit dem Außenminister stritt Erdoğan angeblich ab, am Vortag in der Eishockeyhalle der Vienna Capitals einen Wahlkampfauftritt absolviert zu haben. Es habe sich um einen Privatbesuch gehandelt. Er sei auf Einladung der Union der Europäisch-Türkischen Demokraten nach Wien gekommen, um deren zehnjähriges Vereinsjubiläum zu feiern. In seiner Rede freilich hatte Erdoğan seine Anhänger offen aufgerufen, an der Präsidentenwahl im August teilzunehmen. Es gilt als wahrscheinlich, dass er selbst kandidieren will.

Erdoğan beteuerte auch, dass sein Schlenker auf Süleyman, den Prächtigen, den Sultan aus der Zeit der ersten Wiener Türkenbelagerung, missverstanden worden sei. Er habe doch bloß sagen wollen, dass sich niemand vor den Türken fürchten müsse.

Doch Kurz trug auch noch andere Kritikpunkte vor. So hielt er dem Premier vor, um keinen offiziellen Besuch angefragt zu haben. Erdoğan konterte, dass er ohnehin um Termine angesucht habe, jedoch sowohl Kanzler Werner Faymann als auch Präsident Heinz Fischer verhindert gewesen seien.

„Es hat sich um ein emotionales Gespräch gehandelt, wir waren in einigen Punkten nicht einer Meinung. Erdoğan war eher in der rechtfertigenden Rolle“, sagte der Außenminister später in seiner improvisierten Pressekonferenz. Es war ihm offenbar wichtig zu zeigen, wie er mit dem türkischen Premier ins Gericht gegangen war.

Und dabei wählte er harte Worte. Erdoğans Auftritt sei schädlich gewesen, sagte Kurz. Schon aus seinen Zeiten als Integrationsstaatssekretär wisse er, dass sich viele türkischstämmige Österreicher auch noch in der zweiten und dritten Generation der Heimat ihrer Väter und Großväter zugehörig fühlten. „Das Identitätsthema, bei dem wir zuletzt Fortschritte gemacht haben, wurde durch diesen Auftritt noch schwieriger gemacht.“

Erdoğan zeigte Einsicht

Da zumindest soll Erdoğan so etwas wie Einsicht gezeigt haben. Schon in seiner Rede hatte er an seine fähnchenschwingenden Fans appelliert, sich zu integrieren und Deutsch zu lernen. Vor Assimilation, vor der Aufgabe ihrer eigenen Kultur, hatte er sie jedoch gewarnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2014)


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